112 Bronze — Gefäße
unzählige Varianten, von denen nur ein geringster Teil auf den Abbildungen dieses
Abschnittes dargestellt werden konnte. Der Mäander kommt stets als abgeschlossenes
Muster vor, und das fortlaufende Mäanderband ist unbekannt. Ein Vergleich der
Originalaufnahme (Abb. 152) mit den modernen Konturzeichnungen (Abb. 153)
zeigt deutlich, daß in der antiken Zeit das Ornament zwar gut gezeichnet war,
aber bescheiden hinter der monumentalen wuchtigen Formwirkung zurücktrat. An
der Silhouette und der Ausarbeitung der Ornamentik läßt sich am besten die
Weiterentwicklung dieses Choustiles an späteren Arbeiten erkennen (vgl. Abb. 158).
Die Zeichnung ist bei den vorchristlichen Stücken gut konstruiert und geometrisch
korrekt ausgearbeitet, aber später werden
ganz gedankenlose und stilwidrige Schnör-
kel angebracht.
Die Spirale in ihrer konstruierten,
regelmäßigen Gestalt kommt selten vor,
aber häufig die Anwendung in verschie-
denen Kombinationen mit anderen Formen
(Abb. 153, a, d, ) oder in freierer Aus-
gestaltung. Geometrische Gebilde,
wie Kreis, Viereck, Schuppen oder Schin-
delmuster (Abb. 150), Spitzbogen, Drei-
ecke und die charakteristischen Wolken-
muster (Bd. I, Abb. 8) findet man oft.
Eine große, ebenfalls in unendlicher
Variation ausgeführte Gruppe bildet die
Tierornamentik, bei der eine sehr
ungewöhnliche Beobachtung zu machen
ist. Neben einer oft sinnlosen Stilisierung
bei der Darstellung in der Fläche, kommt
gleichzeitig eine mehr realistische Aus-
Abb. 152
drei Füßen mit zwei geraden Henkeln auf Rand.
Inschrift besagt: „(Im Jahre) am zehnten Tage des
Opfergefäß (Ting). Runder Kessel auf
ersten Monates weilte der König im Hauptahnen-
tempel der Chou-Hauptstadt. Er traf morgens
im mittleren Saal am Eingangstor den Grafen Szen.
(Der) König befiehlt durch Innen - Hofsekretär-
Erlaß, daß dem Grafen Szen ein roter Schurz usw.
geschenkt wird. Graf Szen, den Kopf geziemend
zur Erde beugend, nahm den gnädigen Befehl des
Himmelsohnes entgegen (und) machte aus dieser
Veranlassung dieser Ahnen-Opfer kostbaren Ting
(und) brauchte ihn beim Opfern im höchsten Ahnen-
schrein. Seine Söhne sollen ihn 10000 Jahre lang
halten und brauchen.“ Datiert Chouzeit, 1122—249
v. Chr.
(Aus: Teishitsu hakubutsukwan kwanshoroku, 1906)
Text s. $S. 111, 112, 114 u. 117.
“führung in Vollplastik als Aufsatzfiguren
des Deckels oder am Henkel vor (Abb.
151, a, c). Wir können daher nicht einen
vorherrschenden naturalistischen oder geo-
metrischen Stil annehmen, sondern nur
eine Nachahmung verschiedenartiger Vor-
bilder. Vielleicht war die genaue Kopie
einer naturalistischen Vollplastik leichter
als die selbständige Übertragung einer der
Fläche jeweilig angepaßten Dekoration.
Jedenfalls können wir aus dem vorliegen-
den Material keine Anhaltspunkte für eine autochthone Entwicklung vom ein-
fachen, geometrischen Ornament zu reicheren komplizierten Formen feststellen,
da schon an den von chinesischen Autoren der ältesten Zeit zugeschriebenen
Stücken realistische Tierköpfe neben Tierornamenten und geometrischen Mustern
sich befinden. !)
1) Hörschelmann, Die Entwicklung der altchinesischen Ornamentik, Leipzig 1907,
31 Tafeln. H. vertritt diese Theorie der Entwicklung der Ornamentik, aber bildet selbst
auf TafelI ein Gefäß mit Bügel ab, das neben — nach seiner Meinung — ältesten geo-
metrischen Mustern an den Seiten Tierköpfe in naturalistischer Vollplastik hat. — Vgl.
Münsterberg, Fremdländische Einflüsse in der ostasiatischen Kunst.
handwerk, Wien 1908, Heft 6, 8. 301.
Kunst und Kunst-