Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

Schachspiel — Kriegführung — Bogen 193 
Die einfachen Schriftzeichen (Abb. 545) für gewisse Waffen beweisen, daß 
sie schon bei der ersten Bildung der Schrift, also lange vor Beginn der 
historischen Zeit, bekannt waren. Die ältesten Waffen waren Bogen, Pfeil, 
Axt und Lanze. Die Nachbarvölker der Chinesen, die von diesen stets mit 
dem Sammelnamen „Barbaren“ bezeichnet werden, hatten ‚ebenfalls die gleiche 
Bewaffnung, aber dennoch bestanden wesentliche Unterschiede. _ Die Chinesen 
gebrauchen für die „Barbaren des Ostens‘ die Bezeichnung ,,J“, das aus dem 
Zeichen für „groß“ und „Bogen“ besteht. Da Konfuzius von neun J-Völkern 
spricht und darunter die Koreaner und Japaner aufführt, so können wir aus diesen 
Schriftzeichen ersehen, daß die Völker des Ostens, das sind die Stämme südlich 
vom alten, damals auf die Länder an den Ufern des Gelben Flusses begrenzten 
China, in Korea und in Japan eine gemeinsame, von Chinas Sitte abweichende Art, 
nämlich den großen Bogen, führten. !) 
In Japan?) findet sich wirklich aus den Zeiten der Dolmen bis in dieses Jahr- 
hundert hinein der große Bogen Homers, während in China ausschließlich der kleine 
Reiterbogen (Abb. 328,5) in Gebrauch war. Die ältesten Abbildungen des Reiter- 
bogens auf Töpfereien (Bd. I, Abb. 55, 56) und Steinreliefs (Abb. 90) sind aller- 
dings erst aus der Hanzeit erhalten, aber die Betonung des großen Bogens, als 
besonderes Kennzeichen der Ostbarbaren, zeigt, daß schon in der Chouzeit der kleine 
Bogen bei den Chinesen in Gebrauch gewesen sein muß. 
Wiederholt habe ich auf die Unterschiede zwischen den Sitten und Kunstformen 
der alten nördlichen Chinesen und denen der Ureinwohner der Südstaaten, Koreas 
und Japans hingewiesen. Das Zeichen für das Wort „J “ gibt einen weiteren Beweis. 
An der Südgrenze des alten Chinas trafen die zwei großen Kulturschichten der 
antiken Welt zusammen. Die nördlichen Völker Asiens, die Chinesen und Skythen- 
völker Sibiriens hatten im Bronzegerät (Bd. I, 8. 36—42) sowie in der Darstellung 
des fliegenden Galopps (Bd. I, 8.55), in der Bogenform und der Bogenspannung (Bd. I, 
S.40) gemeinsame Eigenarten; während die alten Völker der südlichen Meeresküste 
1) Die Zeichen „groß“ und „Bogen“ können sowohl als „große Männer mit Bogen“ 
oder „Männer mit großem Bogen“ gelesen werden. Einer freundlichen Mitteilung von 
Franke entnehme ich, daß der Kommentator zum Schuo wen, dem ältesten chinesischen 
Wörterbuch, etwa 100 n. Chr., sagt: „Die J im Osten haben ihre Bezeichnung von dem 
Zeichen für groß. Es sind große Menschen.“ Diese Erklärung hat auch Plath benutzt 
(Das Kriegswesen der alten Chinesen, 8. 281): „Die J sind dem Charakter nach große 
Männer, die einen Bogen umhaben.“ 
Meine Zweifel an der Richtigkeit dieser Interpretierung, daß die Ostvölker sich 
in der Größe unterscheiden sollen, da gerade die Nordchinesen zu den größten Völkern 
des Ostens gehören, werden auch von Franke geteilt. Er verweist auf eine Stelle 
im Lun-yü, IX, 13, in der Konfuzius von „neun J-Völkern“ spricht, und auf den 
Kommentator Huang K’an aus dem 6. Jahrhundert n. Chr., der die neun Völker auf- 
zählt und darunter auch die Kao-li, die Koreaner, und die Wo jen, die Japaner, nennt. 
Daß aber letztere nicht von den Chinesen als „große Männer“ zum Unterschiede zu sich 
selbst bezeichnet wurden, ist wohl selbstverständlich. Daher wird die Lesart der „großen 
Bogen“ richtig sein. 
Zugleich zeigt uns diese Stelle, wie schwierig es ist, den chinesischen Schriftstellern 
in ihrer schwer deutbaren Zeichenschrift zu folgen, und wie die chinesischen Kommentatoren 
oft recht unzuverlässig sind. Die mündliche Tradition ist bei Sitten und Gegenständen, 
die sich selbst veränderten, während das alte Zeichen in neuem verändertem Sinne bei- 
behalten wurde, sehr gefährlich. Das zeitgenössische Bild oder ein Fundstück aus der 
Erde sind viel einwandsfreiere Beweise. 
2) Müller-Beeck, Die wichtigsten Trutzwalffen Alt-Japans. Mitteilg. der Deutsch- 
Ostasiatischen Gesellschaft, Bd. IV, 1884/88. — Jacoby, Die Waffen von Alt-Japan. Zeit- 
schrift für historische Waffenkunde, IV, 6. „Die japanischen Quellen nennen den großen 
Bogen chinesisch.“ 
Münsterberg, Chinesische Kunstgeschiehte II 3 
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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