Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
Grabfiguren 241 
sehr ähneln, !) haben sich gefunden. Ganz merkwürdige ist eine Männerfisur mit 
langem schmalem Schnurrbart, hoher runder Kappe und unchinesischem Überhang.?) 
Das liegende Kamel (b) mit seinem zurückgebogenen Kopf und das elegante, ruhig 
stehende Pferd (Abb. 388, e) zeigen deutlich einerseits den naturalistischen Einfluß, 
wie wir ihn auf den Steinreliefs (Abb. 99, 100) kennen lernten, und anderseits den 
weichen, gerundeten Fluß der Linien, wie ihn die Malerei übte.?2) Das Einfache 
der Hanformen ist durch eine zierlichere Ausdrucksform ins Elegante, vielleicht 
etwas Spielerische übertragen worden. Zu beachten ist, daß Pferde stets mit 
Sattel und Zaum und die Kamele beladen dargestellt werden. Es handelt sich 
nicht um Opfertiere, wie einst in antiker Zeit, sondern um Gebrauchstiere, die, 
sowie die Gerätschaften, der toten Seele dienen sollen. 
Einen starken westlichen Einfluß können wir deutlich an den geflügelten Phan- 
tasiegestalten mit Menschenköpfen (Abb. 388, d, f) erkennen. Die kühne Phantasie der 
Chinesen hat diewunderbarsten Drachen und Phönixe gestaltet, aber niemalsden Löwen- 
körper mit Menschenkopf und Flügeln versehen; diese Form kann nur die Nachbildung 
einer fremdländischen Kunstsprache sein, die nach der Tangzeit nicht mehr vorkommt. 
Nach Laufer soll Kaiser Yüanti von der Liangdynastie (505—554) die Toten- 
beigaben in Gestalt von Tieren abgeschafft haben, da der „tönerne Hund nicht wachen 
könne“. Jedenfalls sind aus der Sungzeit bisher keine Grabfiguren bekannt geworden. 
Die Figuren sind in feingeschlemmtem hellem Ton, leicht gebrannt und ohne 
Glasur. An den Menschenköpfen lassen sich Farbreste erkennen. Auch hat 
man Vasen ®) in Gräbern gefunden, die deutliche Farbspuren zeigen. Wir können 
annehmen, daß es eine weit verbreitete polychromierte Töpferei gegeben hat; 
aber sie scheint als minderwertig oder als altmodisch wenig beachtet zu sein. 
Fassen wir unsere Untersuchungen zusammen, so ergibt sich, daß in der 
Hanzeit grüne und weiße monochrome Glasuren neben den bemalten Scherben 
hergestellt wurden. Infolge der Mode des Teetrinkens begann eine künstlerische 
Ausführung der Gefäße. Die Architektur benutzte in der Tangzeit Töpfereien zum 
Schmuck, und die Grabfiguren wurden verfeinert. Menschen und Tiere wurden dem 
Können der Zeit entsprechend naturalistisch und zierlich in verbesserter Technik 
modelliert. Statt der Vollfüllung der Flächen mit Verzierungen wurden abgepaßte 
Bilder malerisch in den Rahmen komponiert, 
  
1) Museum of fine arts, Bulletin, Boston, Februar 1911, Abb. S. 6. — Collection 
Wannieck, Fevrier 1911, Taf. VIII. — Kosaku Hamada, Ancient clay Figures of China, 
Kokka, Heft 252 — Laufer hat von seinen letzten Reisen zahlreiche Grabfiguren mit- 
gebracht, die im Field-Museum in Chicago aufgestellt sind. Sehr viele kommen im Kunst- 
handel vor. Die Gräber werden noch viele tausend Töpfereien bergen, da die Sitte der 
Totenbeigaben viele Jahrhunderte lang gepflegt worden ist. 
2) Shenchoukuo Kuangtsi (Zeitschrift für chinesische Kunst und Archäologie) Shanghai, 
1908, Heft 5, Abbildung. — In Heft 3 ist eine Tonfigur abgebildet, die offenbar einen Aus- 
länder mit herabfallendem Lockenhaar, großer Nase, großem Mund und eng anliegendem 
konfektioniertem Rock mit anschließender Taille und breiten Aufschlägen vorne darstellt. 
Man ist versucht, an eine Arbeit des 18. Jahrhunderts zu glauben, die einen europäischen 
Kapitän mit Perücke in Galauniform abbildet! Die chinesische Unterschrift besagt, daß 
die Figur kürzlich in einem Grabe gefunden sei und wohl einen Europäer darstelle!! 
3) Ein polychromiertes Pferd aus Ton, aus der Zeit der Weidynastie, 4.—6. Jahr- 
hundert, in der Fischersammlung des Museums zu Köln a. Rh., Abbildung bei: Lüthgen, 
Das Museum für ostasiatische Kunst der Stadt Köln, Kunst und Künstler, 1911, Juni, 
S.504. — Vergl. S.229, Anm. 1. — Ausstellung von vielen Grabfunden aus Privatbesitz 
im Mus6e Cernuschi, Paris 1911, s. Exposition r&trospective, d’art chinois an Musee Cernuschi, 
Bulletin de l’association amicale franco-chinoise, Juli 1911. 
#) Im Louvre sind zwei von Chavannes mitgebrachte Vasen, die rotschwarze Be- 
malung in geometrischen Mustern zeigen. Laufer hat eine ganze Reihe polychromierter 
Gefäße für das Field-Museum in Chicago erworben. 
Münsterberg, Chinesische Kunstgeschichte II 
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