Quellen — Glasuren — Technik 248
Ein historisch einwandfreier Beweis aus der Zeit vor dem 14. Jahrhundert ist
für kein erhaltenes Stück zu führen. Japanische Schatzhäuser aus dieser Zeit fehlen.
Es ist ebensowohl möglich, daß bessere Stücke als die erhaltenen in der früheren Zeit
hergestellt worden sind, wie es auch denkbar ist, daß die Zeitgenossen nur im Ver-
hältnis zu der früheren, noch minderwertigeren Ware die technischen Fortschritte
der Sungzeit rühmten, während vielleicht erst in späterer Zeit eine viel verbessertere
technische Vollendung erreicht wurde.
Wenn wir daher die Wirkung der berühmten Glasuren nicht durch Augen-
schein erleben können, so sind wir dafür durch Worte, Abbildungen und Nach-
ahmungen der bis zum heutigen Tage beliebt gebliebenen Arten auf das genaueste
über den Stil, die Form und die Farbe unterrichtet.
Die chinesische Literatur ist reich an Angaben über die Fabrikationsorte und
die Unterschiede der Fabrikate, aber was damals, als die sehr begrenzte Fabrikation
und nur diese am Markte war, wohl zur Unterscheidung genügte, ist heute völlig
in die Irre führend. Seit Jahrhunderten sind an vielen Orten Chinas, Japans und
anderer Länder, wie wir weiter unten sehen werden, mit größter Ausdauer und Mühe
immer und immer wieder Nachahmungen dieser begehrten Qualitäten hergestellt
worden, und sicher sind neben dem Vielen, das sich leicht als minderwertige
Massenware erkennen läßt, auch gute Stücke geglückt.
Die chinesischen Schriften sind von Julien, Brinkley, Bushell und Hirth aus-
führlich übersetzt worden und auch in die japanische Literatur übergegangen,
aber irgendwelche Bestimmungen vorhandener Stücke nach diesen Angaben zu
machen, ist nutzloses Phantasiespiel. Deshalb werde ich diese sehr umfangreichen
Angaben nur so weit berühren, als zufällig erhaltene ältere Abbildungen oder
Fundstücke wenigstens eine ungefähre Vorstellung geben können.
Technik, Form und Farbe
Mit dem Aufkommen des Teetrinkens, das zuerst nicht ein Genußmittel des
Volkes, sondern ein Getränk der Gesellschaft mit genau vorgeschriebenen Zeremonien
war, entstand das Bedürfnis, der tönernen Trinkschale jene künstlerische Vollendung
zu geben, die bisher ausschließlich Stein und besonders die Bronzegefäße erhalten
hatten. Gleichzeitig bemächtigte sich die neue glänzende Technik auch der Her-
stellung anderer Geräte.
Es entspricht einem allgemein gültigen Gesetz, daß niemals neue Formen frei
erfunden werden, sondern es finden stets Übertragungen nach der Natur oder nach
Vorlagen statt. Wenn neue Techniken eingeführt werden, so gelten für sie
auch die mitgebrachten Formen mit geringen, den Verhältnissen angepaßten Ab-
änderungen. Wenn aber, wie hier, durch den einheimisch entstehenden Teegenuß
neue Bedürfnisse entstanden, ohne daß gleichzeitig fremde Vorbilder zu ihrer
Befriedigung aufkamen, so mußten neue Geräte erfunden werden. Daher kam man
auf eine eigene Umformung vorhandener Formen für diesen Zweck.
Nach Japan und später nach Europa kam mit dem fremdländischen Teegetränk
gleichzeitig auch die Trinkschale und die Teekanne, und noch heute trinken wir
aus der „chinesischen“ Porzellantasse das ostasiatische Getränk. In China wurden
sowohl die bisherigen Tongefäße weiter ausgebildet, als auch die reiche Formen-
sprache der Bronze- und Nephritgefäße nachgeformt, soweit es Technik und Ver-
wendung gestatteten. Der Einfluß dieser Nachbildung wurde maßgebend für Form,
Farbe und Technik. Eine selbständige neue, rein keramische Formensprache ist
nicht entstanden, wohlaber hat sich auf der Grundlage der Übertragung allmählich
ein keramischer Stil der Sungzeit entwickelt.