Seladon — Scherben — Glasuren 245
blieb die Herstellung auf wenige oder einzelne Familien beschränkt, und vielleicht
wußten die Hersteller selbst nicht genau, wie sie das zufällig Geglückte mit Absicht
wiederholen konnten. Nur so ist es zu verstehen, daß einzelne Farben so selten vor-
kommen und ihre Herstellung zeitweilig ganz aufhörte.
Der Hauptwert wurde auf die Wirkung der dickflüssigen und undurchsichtigen
Glasur gelegt, dagegen die Verbesserung des völlig bedeckten Scherbens ver-
nachlässigt. Zwar wurden verschiedene Färbungen und Härtegrade erzeugt, aber
sie dürften nur eine zufällige Folge der benutzten Tonarten oder Öfen gewesen sein.
Immer wurde ein dicker Scherben angewendet, den wir, je nach Qualität, als Steingut,
Steinzeug oder Fayence bezeichnen würden, aber die Chinesen kennen keine
besonderen Worte für diese Qualitätsunterschiede, woraus am besten zu ersehen ist,
wie wenig Beachtung sie der Verschiedenheit des Scherbens geschenkt haben.
Richtiges Porzellan, also einen durch die ganze Masse hart gebrannten Scherben,
mit glatter Bruch in weißer Masse, der in gewisser Dünne durchsichtig ist, war da-
mals noch unbekannt und kommt erst im Anfang des 15. Jahrhunderts vor. Dagegen
war das Wort Porzellan viel früher in Anwendung und bedeutete nur einen harten,
im Anschlag tönenden Scherben mit Kaolinbeimengung.
Neben der glatten Oberfläche kommen auch gekrackte Glasuren mit
feinen Haarrissen vor. Zum besseren Verständnis erscheint mir eine Erklärung des
technischen Vorganges nötig. Die Scherben, also das Tongefäß selbst, und die auf-
getragene Schicht der Glasur vermindern beim Abkühlen nach dem Brennen ihr
Volumen; aber es ist nicht immer der Fall, daß die Reduzierung der Materialien
genau in gleichem Verhältnis stattfindet. Natürlich sind die Differenzen nur ganz
minimal, aber sie genügen, um das Bild der Glasur zu beeinflussen. Ist der Scherben
kleiner geworden als die Glasur, so hat letztere keinen Platz auf der Oberfläche
und blättert ab. Derartige Brandstücke sind unbrauchbar.
Umgekehrt, wenn die Glasur kleiner als der Scherben ist, so wird sie ausgedehnt \
und platzt an verschiedenen Stellen. Da die Spannung und der Widerstand gleich-
mäßig auf der ganzen Oberfläche stattfindet, so verteilen sich die Sprünge über die
ganze Fläche. Durch Veränderung der Zusammensetzung, durch Vermehrung der
Kieselsäure usw. kann die Ausdehnungsfähigkeit beeinflußt werden. Durch Versuche
ist es leicht möglich, jene Mischung festzustellen, bei der der Ausdehnungskoeffizient
von Scherben und Glasur übereinstimmt, so daß weder Glasurrisse entstehen noch
die Glasur abblättert.
Derartig glatte Glasuren weisen die modernen Chinaporzellane auf, dagegen
haben die älteren Töpfereien häufig haarfeine Sprünge. Aus dieser Not haben die
Töpfer eine Tugend geschaffen und durch Erfahrung ganz bestimmte Arten von
gleichmäßig über die Oberfläche verteilten Rissen erzeugt. Schon in der Zeit der
Sungdynastie werden sowohl große unregelmäßige Risse — Krebsscherenmuster —
als auch kleine ringförmige Risse — Fischrogen oder Bienenzellen, von den Franzosen
Forellenschuppen genannt — beschrieben. Letztere kommen merkwürdigerweise in
Japan niemals vor und sind auch in China selten. Große aderförmige und unregel-
mäßige Risse sind technische Fehler; künstlerischen Reiz und technischen Wert
besitzen sie nur, wenn sie gleichmäßig die Fläche bedecken. Auch können die Teile
an einem Stück verschiedene Rißarten aufweisen. Weitere Wirkungen werden durch
Färben, also durch Einreiben der Sprünge mit Farbstofien, erzielt.
Die monochromen Töpfereien sind ohne jede Bildzeichnung. Als einzige Ver-
zierung werden flache Ornamente im Scherben eingraviert oder im Relief aus-
gearbeitet, über die die Glasur hinwegfließt. Letztere ist naturgemäß an den Ver-
tiefungen entsprechend dicker und wirkt daher dunkler. Auch wurden in Formen
gepreßte Reliefs in weicherem Material an den Scherben aufgebacken, wie z. B. Lotos-
blumen, Päonien, Blätter und Ranken, Phönixe, Drachen, Vielfraß und ähnliche,