Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

Porzellan — 15. Jahrhundert — Malerischer Stil 289 
(Taf. X, A) in Form einer violetten, innen weißen Magnolienblüte zwischen grünen 
Blättern und braunem Henkel und eine gelbe Chrysanthemumblume (X) mit Stengel 
und Blatt als Weintasse modelliert. Wie einfach und doch anmutig ist eine kleine 
Dose (r) für die Schminke einer Prinzessin in kaiserlichem Gelb mit grüner 
Ornamentik bemalt. 
Gerade in diesen kleinen, gar zierlichen Gegenständen drückte sich am schärfsten 
der neue keramische Geist gegenüber dem mehr wuchtigen, aber etwas plumpen 
Stile der Sungzeit aus. Und wie dort der ernste, feierliche Glanz monochromer 
Glasuren, so hier fröhliche Akkorde zarter Farbennüancen, dort großzügige, 
archaistische Formen, hier zierliche graziöse Linienführung. 
Die Trinkschale auf hohem Fuß, eine alte Chouform (Abb. 365, d), hatten wir mit 
Fischen (Taf. X, a) und Früchten (f) in blutigem Rot unter der Glasur bewundert, 
aber jetzt wird die gleiche Form mit gar zierlichem Pflanzenornament umkränzt (0). 
Eine stilisierte grüne Girlande umzieht den Rand, und violette Weintrauben hängen 
in Abständen herab, während die weiße Fläche mit Rankenlinien belebt ist. Eine 
ähnliche zarte Ausführung hat die Keramik Chinas niemals wieder erreicht.!) Schon 
jetzt will ich darauf hinweisen, daß unter den massenhaften Nachahmungen Chinas 
im 17. und 18. Jahrhundert und unter den Imitationen Japans derartig fein empfundene 
Arbeiten nicht bekannt geworden sind. Die Fabrikanten der späteren Zeit haben — 
vielleicht beeinflußt von der Mode Europas — in ihren vortrefflichen Qualitäten nur 
einen ganz bestimmten Stil der kraftvollen und überladenen Ausführung gepflegt. 
Gerade bei dem Studium der Arbeiten des 15. Jahrhunderts ist dieser Unterschied 
am besten zu erkennen. 
In China werden aus dieser Zeitperiode Weinkannen und Weinbecher aus ganz 
dünnwandigem, sogenanntem Eierschalenporzellan (Taf.X, l,m,r) mit farbiger 
Emaillemalerei besonders hoch bewertet. Die verschiedensten chinesischen Schrift- 
steller sind im Lob über die Schönheit der Emaillefarben und die Sorgfalt der Malerei 
einig. Die Zufuhr des „‚mohammedanischen‘“ Blaues, das die Arbeiten der früheren 
Periode so hervorragend auszeichnete, hatte aufgehört, so daß die blaue Qualität 
unter Chenghua sich nicht mit der früheren messen konnte; aber in der Malerei mit 
Emaillefarben übertrafen die Arbeiten alle früheren und nach dem Urteil vieler Chi- 
nesen auch alle späteren. 
Damals kam die Hühnerdarstellung auf. Wir finden Hähne im Kampf, 
Hennen mit ihren Küken oder Futter pickend (Taf. X, }) auf grüner Wiese, und 
zwischen ihnen eine blühende Pflanze, deren rote Blume das Bildchen belebt. Hsiang 
gibt an, daß diese kleinen Becher von nur 4!/,cm Höhe im 16. Jahrhundert einen 
Wert von 100 Taels für das Paar besaßen, und Brinkley 2) berichtet, daß im Anfang des 
17. Jahrhunderts ein Beamter sogar 1500 Dollar als Wert angibt. Bushell übersetzt 
aus einem chinesischen Werke aus dem Jahre 1640, daß der Autor gern bei Voll- 
und Neumond in den buddhistischen Tempel Tsuensen ging, um die dort ausgestellten 
alten Porzellanschalen zu bewundern. ‚Weiße Schalen aus Porzellan von Wanli 
(1573—1618) waren einige Silbertaels wert, solche mit den Marken von Hsüante 
oder Chenghua zweimal soviel oder mehr, aber die dünnwandigen Becher, mit kämp- 
fenden Hähnen bemalt, konnte man nicht für weniger als 100 Taels von reinstem 
Silber kaufen; Töpfereien waren damals weit höher geschätzt als Nephrit.“ 
  
!) Wenn wir die drei hohen Schalen (Tafel X, a, f, 0) mit unserem allermodernsten 
Porzellanstil vergleichen, so wird uns sofort bewußt, daß gleiche malerische Probleme 
die damalige wie die heutige Zeit bewegen. Sicher sind die chinesischen Muster nicht 
als Vorbilder von unseren „Modernen“ verwertet, aber besonders die Weintraubenranke 
könnte auf jedem modernen Porzellanservice angebracht werden. In der Zwischenzeit von 
über 400 Jahren habe ich nirgends in der Welt ähnliche keramische Lösungen finden können. 
?) Brinkley, China, Bd. IX, S. 189, 
Münsterberg, Chinesische Kunstgeschichte II 19 
 
	        
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