304 Töpferei — Kanghizeit
g 1: d e c b a
Abb. 434 Diverse Porzellane, die auf europäische Bestellung angefertigt wurden, a, e Teekanne und
Zuekerdose mit europäischen Wappen, farbig; b Plünderung des Hauses des Amtmannes Jacob van Zuglen
van Nyeveli in Rotterdam, 5. Oktober 1690, blaue Malerei auf Weiß nach europäischer Vorlage, gezeichnet:
Ming Tienchi, 1621 bis 1627, Fälschung der Marke unter Kanghi, 1662—1722; e Porträt des Johannes Coccejus
Theologiae, Professor an der Leidener Akademie, geb. 1603 zu Bremen, wurde Professor 1650, gestorben 1669,
Sehwarz- und Goldmalerei; d, f, g Teller, Kanne und Kumme mit Kreuzigungdarstellungen, schwarz als
Nachahmung von europäischem Kupferstich
Reichsmuseum, Amsterdam, Kanghizeit, 1662—1722
(Originalaufnahme)
betreffenden Wappen!) bestellt (Abb. 434, a, c). Auch biblische Darstellungen in
schwarzer Tuschmalereinach europäischen Kupferstichen kommen vor (d, f), die sich be-
sonders geschmacklos auf Teekannen (g) ausnehmen. Ebenfalls die Kopie eines Kupfer-
stiches ist ein die europäische Schattenwirkung sehr gut wiedergebendes Porträt (e).
Die sehr flüchtige Malerei einer europäischen Straße (b) ist insofern interessant,
als wir das Datum der dargestellten Plünderung eines Hauses in Rotterdam vom
5. Oktober 1690 genau kennen, während auf der Rückseite des Tellers die seltene
Marke des Mingkaisers Tienchin (1621—1627) angebracht ist. Daß unter Kanghi
die alten Stücke nachgemacht wurden, hatten wir schon gehört, und daß die alten
Marken dann bei Kopien ebenso sorgfältig angebracht werden mußten, entsprach
der kleinlichen Genauigkeit, der den chinesischen Geist charakterisiert. Viele
Forscher, wie der vorzügliche Kenner Bushell, erklärten die meisten Stücke mit alten
Marken als Nachahmungen aus dem Ende des 17. oder dem 18. J ahrhundert. Bei
dem vorliegenden Teller handelt es sich aber nicht um die Kopie eines alten Stückes,
sondern um eine ganz neue, für den Export bestellte Arbeit. Daß ein alter Scherben
genommen und übermalt sei, ist ausgeschlossen, da sich die Blaumalerei unter der
Glasur befindet. Wir haben somit hier den Beweis, daß selbst bei neu hergestellten
Malereien falsche Marken angebracht wurden. Es ist also nicht mehr eine Kopie,
sondern eine direkte Fälschung. Eine Art der Dekorierung mit abwechselnd
schlanken Frauengestalten und Blumenvasen in abgegrenzten Feldern auf schmalen,
eleganten Vasen (Taf. VI,d) hat im Kunsthandel nach holländischem Sprach-
gebrauch?) die Bezeichnung ‚Lange Lyzen“ erhalten. Das häufige Vorkommen
1) Im Bayrischen Nationalmuseum befindet sich eine Garnitur chinesischer bunter
Teller mit dem Allianzwappen von Pfalz-Sulzbach und Hessen aus der Zeit 1708—1730.—
Hofmann, Ein Wittelsbacher Ehewappen auf chinesischen Tellern. Altbayr. Monatsschrift,
1908, VIII. — Crisp, Armorial China, a catalogue of Chinese porcelain with coats of arms.
Privately printed, 1907 (in 150 Exemplaren gedruckt, mit 12 farbigen Tafeln, s. S. 152).
2) Das hochdeutsche Wort „leise“ existierte früher auch im Mittelniederdeutschen
als „Iise“ und ist im Holländischen zu „Iys“ geworden, wo es auch als Substantiv be-
nutzt wird. „Lys“ bedeutet langweiliger, langsamer und schlapper Mensch, sowohl für
Männer als für Frauen. Dann wurde es auch für Puppen verwendet. Als chinesische
Porzellanmalereien von schlanken Frauen bekannt wurden, nannte man diese „lange
lyzen“, wohl wegen der Knochenlosigkeit des Linienflusses in der Zeichnung, und
schließlich wurden alle chinesischen Porzellanvasen und -tassen, wenn sie mit Frauenfiguren
dekoriert waren, so bezeichnet.