306 Töpferei — Kanghizeit
Auf einer anderen Vase (Tafel XVI,a)
sehen wir einen Magnolienzweig mit Weiß
ausgespart, auf dunkelblauem Wolken-
erunde. Die Blüten sind in flachem
Relief ausgearbeitet und die Zweige
in hellerem Blau schattiert.
Die Herstellung einer glatt gedeckten
blauen Fläche war stets das schwierigste
technische Problem und ist niemals völlig
gelöst worden. Immer entstanden Wolken
(Taf. XVI,b) oder Flecken, so daß eine
Unterbrechung durch ausgesparte Muster
oder durch Dekorierung mit Gold not-
wendig wurde. Die Künstler der späteren
Kanghizeit, also etwa vom Ende des
17. Jahrhunderts an, benutzten die für
Dachziegel ($. 266) schon im 12. Jahr-
hundert gebrauchte Technik des Auf-
streuens von Farbstofien. Sie nahmen
nicht die gefärbte Glasur, sondern ein
blaues Pulver, das durch ein Sieb auf
die Fläche gestreut und dann wie ge-
wöhnlich mit durchsichtiger Glasur über-
zogen wurde. Auf diese Weise entstand
das gepuderte Blau (bleu fouette,
Abb. 437 Deckelvase, Kaiser auf der Terrasse am powdered blue), dessen Technik etwa
Lotosteieh mit Booten, blauweiß, Porzellan, etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts
55 em, Sammlung Pierpont Morgan, New-York, S 2 ü :
Kanghi, 1662—1723 nicht mehr geübt wurde.!) Die Fabrı-
(Originalaufnahme) ti i & U
Text s. 8. 305 ation war nur von bescheidenem Um-
fange, und bis die modernen Nach-
ahmungen auf den Markt kamen, waren gespritzte Blauporzellane sehr selten.
Es gelang auf diese Weise, eine wirklich leuchtend blaue Fläche ohne Blasen
mit durchsichtiger Glasur zu schaffen, aber es scheint doch Schwierigkeiten bereitet
zu haben, größere Flächen ganz gleichmäßig zu decken, denn meist wurden nur
kleinere Zierstücke hergestellt oder große Medaillons in Weiß ausgespart. Wenn
aber die ganze Fläche mit Blau gedeckt war, so wurden fast immer, zur
Hebung der Wirkung, Goldschnörkel aufgelegt, so daß selbst weniger tadellose
Färbungen eine gesteigerte Leuchtkraft erhielten und etwaige Flecken unsichtbar
wurden. Derartige Stücke sind in China am wenigsten begehrt.
1) Bennet — A Collection of powdered blue chinese porcelaine in the possession of
Sir William Bennett, Burlington Magazine, 1904, Heft XIII, mit 3 schwarzen und
2 farbigen Tafeln — berichtet in seiner sonst vortrefflichen Spezialstudie von einem
blaugespritzten Porzellan im Münchener Museum, das aus dem Jahre 1570 stammen
soll und daher, wenn die Existenz seit dieser Zeit nachweisbar wäre, die Herstellung
der Technik schon in die Mingzeit versetzen würde. In einem Aufsatz „Bayern und
Asien im XVL, XVII. und XVIII. Jahrhundert“ habe ich bereits nachgewiesen, daß
alle Angaben über die Existenz von asiatischem Porzellan seit dem XVI. Jahrhundert
in München ins Reich der Fabel gehört. Früher als aus dem Ende des XVII Jahr-
hunderts ist nichts erhalten, und auch dann kommen nur ganz vereinzelte Stücke in
Frage. Von gespritztem Blau fand ich im Münchener Museum nur das abgebildete
Stück (Abb. 482), dessen Montierung auf den Anfang des XVIII. Jahrhunderts weist und
somit der Zeit des sonstigen Vorkommens dieser Technik entspricht.