358 Steinarbeiten
vom Leben und Kämpfen der Menschen in realistischer Beobachtung im Stile des
damaligen Kunstvermögens (Abb. 1). Dann kam die buddhistische Kunstsprache
aus Indien und Zentralasien und brachte mit den Kultbildern das dekorative
Pflanzen- und Rankenornament. Als eine echt chinesische Weiterbildung der ver-
schiedenen Motive müssen wir die Bordüren (Abb. 536) betrachten, die auf Stein-
reliefs der Tangzeit aus dem 7. bis 10. Jahrhundert erhalten sind. Die Ornamentik
scheint mir in Durcharbeitung und Erfindung mit zu dem Interessantesten zu
gehören, was das China der nachchristlichen Zeit geschaffen hat. Einzelne Orna-
mente (b) erinnern an islamitische Kunst und an Ornamentstiche der Renaissancezeit.
L d
Abb. 537 Marmorplatten mit Reliefschnitzerei, vier Platten von einer Serie von acht, Zyklus Tiere
zwischen stilisierten Wolkensehnörkeln.
a Tiger und Hase, b Stier und Hund (?), e Drache und Schlange, d Pferd und Widder.
Im Kaiserl. Schatzhause Shosoin, Nara, Japan, 8. Jahrhundert
(Aus: Toyei Slhuko, Bd. 11)
Andere (Abb. 536, c, d) erscheinen als Nachahmungen der Louis-XIV.-Zeit, wenn sie
nicht — 900 Jahre älter wären. Merkwürdig ist es allerdings, daß für diese
vollendete chinesische Kunstform keine Vorläufer zu finden sind und daß in
der späteren Zeit keine ähnlichen Arabesken beobachet werden konnten. Diese
vollendeten Gebilde der Dekoration dürften selbst für Kenner chinesischer Kunst
Überraschungen darstellen. Allerdings stehen wir erst im Anfange der historischen
Erforschung asiatischer Kultur, und wir sind in dem letzten Jahrzehnt an Über-
raschungen schon gewöhnt. Einzelheiten der Ornamente bilden keinen bisher
bekannt gewordenen typisch chinesischen Stil. Sie dürften nach den gleichen
verloren gegangenen Vorbildern des Westens geformt sein, die auch für Europa
maßgebend wurden.