Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
378 Stoffe — Stickereien und Gewebe 
Altertum 
Aus der Chou- und Hanzeit ist auch in Japan kein Stoffrest erhalten und nicht 
einmal eine Abbildung, die uns über Zeichnung, Farbe und Material irgend einen 
Anhaltspunkt geben könnte. Auf den zahlreichen Steinreliefs ist kein Muster sicht- 
bar. Fürst und Diener haben wohl abweichende Kopfbedeckungen und einen ver- 
schiedenen Schnitt in der Bekleidung, aber keine Abzeichen, keine Farben und 
keine Rohstoffunterschiede sind zu erkennen. Andererseits gibt es zahlreiche Er- 
wähnungen über Textilien in. der alten Literatur. 
In uralte mythische Zeiten wird die Einführung der Seidenspinnerei und -weberei 
verlegt.!) Die Gemahlin des legendenhaften Kaisers Huangti (2704—2595 v. Chr.), 
die Kaiserin Leitsu, soll die Fellkleider durch gewebte Seidenstoffe ersetzt und sogar 
Blumen und Vögel eingestickt haben, während dem Kaiser die Erfindung von unter- 
schiedlichen Kleidungsstücken zugeschrieben wird, so daß damals zum ersten Male 
die Beamten und Stände durch äußere Abzeichen erkenntlich gemacht wurden. 
Da nicht nur der Schnitt, sondern auch die Färbungen von Bedeutung waren, ent- 
stand die Vervollkommnung der Farbstoffabrikation. 
Die Erfindung der Seidenweberei, das Färben und Sticken setzt eine 
jahrhundertelange Betätigung oder ein eingeführtes Vorbild voraus. Wir können 
hier, wie bei allen sonstigen Huangti zugeschriebenen Neuerungen, den Einfluß einer 
fremden, höherstehenden Kultur annehmen, ähnlich wie das Eindringen europäischer 
Technik in Ostasien vor 40 Jahren. Es ist möglich, daß die Verwendung der Seiden- 
wurmkokons eine rein chinesische lokale Ausgestaltung der eingeführten Webe- 
technik war, wenn nicht ältere, schon im Altertum vergessene Völker die erste An- 
regung gegeben hatten. Jedenfalls war Seide 2000 Jahre nach ihrer angeblichen 
Erfindung in China in der europäischen Welt noch unbekannt. Sie wurde aus dem 
Osten eingeführt und veranlaßte den europäischen Namen ihrer Erzeuger. Seide?) 
heißt im Chinesischen ‚su‘, im Koreanischen ‚‚sir‘. Bei den alten Griechen wurde 
der Rohstoff mit 01j0 bezeichnet, das erzeugende Volk mit I7joeg und der Seidenstoft 
mit onoıxov. Hiernach bildeten die Römer das lateinische sericum, und in weiterer 
Umbildung entstand das englische silk. Die Chinesen wurden von den Römern 
die Serer genannt (Bd. I, 8.91). 
Aristoteles kannte bereits den Seidenwurm. Die aus dem Osten eingeführte 
Rohseide scheint im Westen zum ersten Male auf der kleinen Insel Cos an der Küste 
von Kleinasien verwebt worden zu sein. 
Die Chinesen haben stets eifersüchtig das Geheimnis der Zucht der Seiden- 
würmer und die Verarbeitung der Fäden gehütet, aber eine chinesische Prinzessin 
soll in nachchristlicher Zeit Eier des Seidenwurms bei ihrer Heirat heimlich nach 
ihrer neuen Heimat Khotan gebracht haben, wodurch Indien und Persien die 
Kenntnis der Verarbeitung erlangten. Nach Byzanz kam die Kunst erst 550 n. Chr. 
durch nestorianische Mönche. 
Dem ebenfalls mythischen Kaiser Shauhau (2594—2511 v. Chr.) wird eine 
weitere Ausarbeitung der Beamtenuniformen zugeschrieben. Auf die Kleider der 
Zivilbeamten wurden Vögel, auf die der Militärbeamten Raubtiere gestickt. Die 
heutigen Abzeichen sollen ihren Ursprung aus dieser Zeit haben. 
Im Chouli sind die Kostüme der Chouzeit (1122—249 v. Chr.) für das öffentliche 
und-Privatleben, die Hofuniformen und ihre Anwendung, genau angegeben. Damals 
1) Hirth, The ancient history of China. New-York 1908. Die historischen An- 
gaben sind der Übersetzung von -Hirth, S. 22, 23 usw., entnommen. 
2) Bushell, Chinese art, Bd. II, S. 92. 
 
	        
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