Seidenhandel mit dem Westen 381
gekommen sein. China war um 105 v. Chr. dem Fremdenverkehr im weitesten Maße
erschlossen. Die westlichen Kaufleute erkannten den praktischen Wert der vor-
trefllichen und billigen Seide und begannen sie in großen Mengen auszuführen.
Infolgedessen entwickelte sich der Seidenbau besonders im Norden und Nordwesten,
und Rohseide wurde der begehrteste Ausfuhrartikel.
Damals erweiterte China seine politische Macht. Die Völker des Tarimbeckens
erkannten die Oberherrschaft des Kaisers an und wurden zu einer besonderen chinesi-
schen Provinz, „die Westländer“, an deren Spitze seit 60 v. Chr. ein Generalprotektor
stand, vereint, Die altberühmte Stadt Bactra wurde der Haupthandelsplatz, von
wo die Parther die Seide weiter nach Syrien und den Ländern am Mittelländischen
Meere brachten. Nachdem Syrien 64 v. Chr. von Pompejus erobert und zur römischen
Provinz geworden war, entwickelte es sich als der wichtigste Industriebezirk des
westlichen Reiches, Gleichzeitig wurde auch Seide über Indien, aber nur in geringem
Maße, verschifft. In den alten phönikischen Städten Tyrus und Berytus wurde die
chinesische Rohseide zu Stoffen verwebt. Von dort kamen die Seidengewebe an den
römischen Markt.
Politische Verwicklungen befreiten die Völker des Tarimbeckens von der chinesi-
schen Herrschaft, Kämpfe entstanden im Reiche, und 23 n, Chr. hörten die Karawanen-
züge auf. Gleichzeitig nahm die Nachfrage nach Seide im Westen stetig zu, aber der
Bedarf konnte während der zentralasiatischen Wirren nur über Indien gedeckt
werden. Erst nachdem die politische Ruhe eingetreten war, begann wieder der
Karawanenhandel. Die Parther sandten ihrerseits 87 n. Chr. eine Gesandtschaft
an den Kaiserhof, um den Handel neu zu beleben, während China seinerseits sieg-
reich im Tarimbecken vordrang und. die Verwaltung von neuem übernahm. Um
100 n. Chr. war der Verkehr in vollster Blüte. Niemals vorher hatte China so viel
fremde Gesandtschaften oder richtiger gesagt fremde Handelsleute und aus so
viel verschiedenen Gegenden bei sich. gesehen.
Die Chinesen versuchten durch den General Kan Ying (97) eine direkte Ver-
bindung mit dem Hauptabsatzgebiet in Syrien zu erlangen, und ebenso waren die
Syrer ihrerseits bestrebt, Fühlung mit China zu gewinnen, aber die geschäftigen
Zwischenhändler, die Parther, vereitelten den Erfolg. Neue politische Verwicklungen
lösten den Verkehr mit den westlichen Völkern (127), und aller Handel ging über
See. Damals (166) kamen syrische Kaufleute über Indien nach China und gaben
sich als Gesandte des römischen Kaisers Mark Aurel aus, aber ein bleibender
Erfolg wurde nicht erzielt (Bd. I, 8.91). Der Zwischenhandel konnte nicht aus-
geschaltet werden.
Somit bestand, mit einzelnen Unterbrechungen, von 114 v, Chr, bis 127 n. Chr.
ein lebhafter Karawanenverkehr von China bis zu dem Persischen Meerbusen und
von dort entweder nach Alexandrien und Ägypten oder über Petra nach Syrien
und Phönikien.!) Dann hat der Seeverkehr den Handel übernommen.
Der Hauptausfuhrartikel war die Seide. Sie wurde zuerst aus Norden und
Nordwesten Chinas, dann, infolge des Seeverkehrs, aus den südlichen Provinzen
bezogen. Jahrhunderte später haben Perser und Araber sowohl den Überland- als
auch den Seeverkehr wieder gepflegt. Zeitweilig stockte der Handel, und dann
hörte auch das Vorbild westlicher Formen und Verzierungen auf.
Aus China wurden Eisen, das als das beste galt, Felle und vor allem Rohseide
exportiert und nach China Metalle, Juwelen, Gemmen, Drogen, Wohlgerüche, Glas,
Asbest, „Byssusgewebe, Goldstickereien‘ und kostbare „Vorhänge, goldgewirkt auf
purpurnem Grunde, Goldstickereien, Stoffe in fünf und neun Farben“ und Stoffe
1) Hirth, Zur Geschichte des antiken Orienthandels, Chines, Studien, S. 1.— Hürth,
Über fremde Einflüsse in der chines, Kunst, München 1896.