Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
399 Stofte — Stickereien und Gewebe 
Gleichzeitig war das schon auf den Hanreliefs beobachtete naturalistische 
Streben weiter entwickelt und beherrschte die Darstellung der Menschen und Tiere, 
aber die Linienführung war gegenüber der Hanzeit, unter dem Einfluß der Schrift 
und Malerei, weicher und gerundeter geworden. Die chinesische Nachahmung der stili- 
sierten Sassanidenvorbilder zeigt in der eleganten Ausführung deutlich diesen Einfluß 
sowohl bei den Jagdbildern als auch bei den Blumen auf den oben erörterten Stoff- 
mustern. 
Ostasien hat niemals die streng logische Konstruktion der Flächendekoration 
verstanden, aber dafür den malerischen unsymmetrischen Rhythmus der Kompo- 
sition erfunden und der übrigen Welt vermittelt. Nach dem Untergange der antiken 
klassischen Kunst entwickelte China in nachchristlicher Zeit seinen eigenen Stil, 
der in der Malerei die Höhe der Weltkunst im ersten Jahrtausend bedeutet. Durch 
die Produkte des Kunstgewerbes kam er etwa seit dem 12. Jahrhundert nach 
dem Westen und übte wiederholt einen starken Einfluß aus. Den Kunstwellen 
vom Westen nach dem Osten seit vorchristlicher Zeit bis zur Herrschaft der 
Sassaniden folgte eine Rückflut vom Osten nach dem Westen seit den Zeiten 
der Mongolenherrschaft. 
Zweites Jahrtausend 
Unter den Sungherrschern begann die Weberei ein starker Rivale der Nadel- 
malerei zu werden. Aus dieser Zeit haben chinesische Quellen die Namen für 
50 Muster überliefert.!) Neben den einfachen Schriftzeichen und Symbolen finden 
wir besonders die Lieblingsmotive chinesischer Maler, wie Lotos, Päonien, Löwen, Wild- 
gänse, Pfaue, Schildkröten, Fische, Paläste, Pavillons, Drachen und Phönixe. Die Dar- 
stellung ist stets in symbolischer Bedeutung nach alter Tradition gewählt. So spielen 
die Löwen mit der Kugel, die Wildgänse fliegen in Wolken, die Schildkröte ist mit 
der Schlange vereint usw. Es handelt sich also nicht um Nachbildungen beliebiger 
Malereien, sondern um feststehende Bildornamente von glückbringender Bedeutung. 
Vergeblich suchen wir die westlichen Muster der Tangzeit, wie die Löwenjagd 
(Abb. 559), während umgekehrt die obigen symbolischen Verzierungen im ersten 
Jahrtausend nur vereinzelt Bedeutung erlangt hatten. Die chinesische Eigenart hatte 
sich in der Zwischenzeit entwickelt, und das Entstandene blieb im wesentlichen 
bis zur Neuzeit beibehalten. 
Damals wurden bereits jene herrlichen Blumenmuster hergestellt, die zur Zeit 
des Weltverkehrs unter den Mongolenherrschern die westländische Kunst stark zu 
beeinflussen begannen. Das stilisierte Pflanzenmuster war einst als konventionelles 
Ornament nach dem Osten gekommen, und neu belebt durch den naturalistischen 
Geist chinesischer Malerei und durch den geschmackvollen Rhythmus der Schrift- 
zeichen kehrte es nach dem Westen zurück. 2) 
Diesen Entwicklungsgang können wir am besten bei der in Asien so beliebten 
Pflaumenblüte verfolgen. Laufer?) weist mit Recht darauf hin, daß es sich hierbei um 
ein sehr altes, stilisiertes Ornament handelt, zu dem erst in verhältnismäßig moderner 
Zeit infolge der naturalistischen Strömung im Osten ein Gleichnis in der Natur ge- 
sucht und in der Pflaumenblüte gefunden worden ist. Das Arrangieren von Blättern 
in einem Kreis ist eines jener uralten Motive, die in der mykenischen und griechi- 
schen Kunst vorkommen und dann in der skythischen, indischen, turkestanischen 
1) Bushell, Chinese art, Bd. II, 8. 96. 
*) Migeon, Les arts plastiques et industriels, Manuel d’art Musulmann, II, Paris 
1907. Im 13. und 14. Jahrhundert entstand in der mohammedanischen Kunst unter chine- 
sischem Einfluß eine mehr naturalistische Strömung auf allen Gebieten, da die Religion 
nicht mehr so streng die Abbildung der Natur verbot. 
3) Laufer, Han pottery, 8. 283.
	        
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