VII. Glas
Antike Zeit
Die chinesischen Annalen !) erwähnen zum ersten Male die Einführung von Glas-
arbeiten aus dem 2. Jahrhundert v.Chr. „Opakes Glas gehörte zu den sogenannten
‚sieben Pao‘, d. h. den höchstwertigen Substanzen. Es wurde demnach mit Gold,
Nephrit, Kristall usw. auf eine Stufe gestellt. Nach einem uralten Aberglauben wird
Glas als versteinertes Eis erklärt — ‚tausendjähriges Eis‘ — ein Ausdruck, der auch
auf Metall angewendet wurde.“ ‚Noch in dem naturwissenschaftlichen Werke der
Sungdynastie, dem Chöng-lei-p@n-ts’ao heißt es, daß Glas ‚der Edelstein des Westens‘
sei und daß es eigentlich zur Kategorie des Yü (Jade) gehöre.‘ Also noch in der
Sungzeit wurde das Glas unter die Halbedelsteine gerechnet, während die chinesische
Literatur aus der Mitte des 16. Jahrhunderts es als „Metall“ (Kin) bezeichnet. Dieser
Wandel der Wertschätzung läßt deutlich die allmählich wachsende Kenntnis der
Fabrikation erkennen; allerdings war, wie wir gleich sehen werden, im 5. Jahr-
hundert der Wert gesunken und erst in der Sungzeit wieder gestiegen.
Die Chinesen benutzen zwei Namen für das Glas. Für die farblose oder wenig-
stens beinahe farblose und durchsichtige Qualität gilt die Bezeichnung Poli oder
Poti, das aus dem Sanskritwort Sphatika entstanden ist und ursprünglich Berg-
kristall bedeutete. Das undurchsichtige, opake Glas in allen seinen Färbungen wird
dagegen Liuli genannt, eine Abkürzung von Piliuli oder Feiliuli, was eine Umformung
des Sanskritwortes für Lapislazuli, Vaidurya, ist. Auch die Glasuren für die Dach-
ziegel und Porzellandekorationen sowie die Schmelzfarben der Emaille werden mit
dem gleichen Namen bezeichnet.
Die literarischen Quellen beweisen, daß das Glas ein fremder Importartikel
aus Süd- oder Zentralasien vom 2. Jahrhundert v. Chr. an war, dessen Technik
bereits im Laufe des 1. Jahrtausends kennen gelernt wurde, aber dessen Massen-
herstellung erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrtausends stattfand.
Woher kamen die ersten Glasarbeiten? Bei dem Export der Seide (8. 381) hatten
wir den regen Karawanen- und Seeverkehr mit dem Westen seit dem 2. Jahrhundert
kennen gelernt. Durch Zwischenhände kam chinesische Seide bis nach Rom. Als
Tauschwert für die heimischen Produkte wurden dekorierte Stoffe, Edelsteine, Drogen
und vor allem Glas eingehandelt.
Die Ägypter sollen schon im 16. Jahrhundert v. Chr. kunstvolle Glasarbeiten her-
gestellt haben. Die Phönizier verbreiteten die Kunst über das ganze Mittelmeer, und
auf Zypern, Rhodos, Kreta und Mykenä sind Glasarbeiten gefunden worden. Be-
sonders wurden kleine Vasen, Balsamgefäße und ähnliches hergestellt. Während die
Griechen niemals Glasmacher gewesen sind, erlangte die Kunst in Rom eine hohe
Vollendung und weite Verbreitung. In dem 1. Jahrhundert v. Chr. verdrängte das
Trinkglas die Gold- und Silberbecher von den Tafeln der Römer, und unter Nero
!) Hirth, Zur Geschichte des Glases in China, Chinesische Studien, Leipzig 1890,
8.62. Die Stellen in Anführungsstrichen sind wörtliche Zitate. — Bushell, Chinese art,
1904, Bd. II, Kap. IX, Glas. — Pal£ologue, L’Art Chinois, Paris 1887. Le Verre, S. 220
bis 228,