94 Einzelformen der Baukunst
Pagode
Ebenfalls aus Indiens Kunst ist Gedanke und Grundform der Turmbauten
und der „Stupa“ übernommen, aus der in China die „Pagode“ entstand. Die
ältesten Bauwerke sind alle verloren. Was wir heute als Pagode in China kennen,
zeigt eine völlig chinesische, sehr reiche und abwechslungsvolle Ausgestaltung in
Verschmelzung verschiedener Grundmotive. Erst in verhältnismäßig moderner
Zeit sind indische Bauten nachgeahmt worden.
Einzelne Denkmäler werden noch der Hanzeit!) zugeschrieben, aber ein Beweis,
daß die heutigen Bauten der frühen Zeit angehören, fehlt; vielmehr ist stets
eine jüngere Ausführung zum Gedächtnis der Toten anzunehmen. Die einzigen
datierbaren Modelle finden wir auf Steinreliefs aus dem 7. Jahrhundert (Abb. 22).
a b
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Abb. 22 Pagoden, Felsreliefs von dem Felsentempel zu Lungmen bei Honan, etwa 7. Jahrhundert. a Vierstöckige
Pagode auf hohem Unterbau mit Relief und langer Abschlußspitze, vierseitig, am Eingange einer Felsengrotte.
%b Siebenstöckige Pagode, vierseitig, ce Zehn- oder zwölfstöckige Pagode, Oberteil zerstört, vierseitig mit Buddha
in jedem Stockwerk
(Aus: Chavannes, Mission areheologique dans la Chine septentrionale)
In der viereckigen Form dürfte die Erinnerung an die ältere Holzkonstruktion
(Abb. 3, 4) bewahrt sein, ebenso wie schon damals die übereinandergesetzten
Etagen mit vorstehenden, auf allen Seiten herumgeführten Dächern, Galerien
und der hohen Dachspitze in Anwendung waren. Der Steinbau hat das aus-
ladende Dach verkürzt, wulstartig geformt oder zum Etagenabsatz gestaltet. Die
vierseitige Form (Abb. 24) trat in späterer Zeit zurück hinter den sechs- und
achtseitigen Ausführungen in verschiedenster Höhe und Ausgestaltung (Abb. 25—37).
Massige Steinbauten in hoher Turmform stehen als Ruinen (Abb. 25), ohne daß
wir die künstlerische Ausgestaltung erkennen können, während eine andere Ruine
(Abb. 23) einige Buddhareliefe bewahrt hat.
Die Pagoden werden oft als Teil des Tempels, aber meistens ohne religiösen
Zweck, zum Andenken oder als Wahrzeichen errichtet. Besonders weit sichtbare
Plätze, Bergspitzen, vorspringende Felsen oder Erhöhungen in der Nähe von Städten
!) Tschepe, Histoire du royaume de Ou (1122—473 av. J.-C.), Chang-Hai 1896,
S. 13, Pagode de T’ai-pe.