Totenkult 61
sentiert durch die Heroen der Vorzeit und außerdem für jeden Einzelnen durch
seine Vorfahren. Fortschritt ist nach dieser Anschauung nur möglich im Anschluß
an die große Vergangenheit. Deshalb ist es eine sittliche Pflicht, die Dankbarkeit
gegen die Vergangenheit dadurch zu zeigen, daß man den Gefühlen -der . Pietät
den rechten Ausdruck gibt. Es herrscht ein Gefühl der Ehrfurcht. Wer das Gefühl
frivol löst, stellt sich außerhalb des Kreises der zivilisierten menschlichen
Gesellschaft.‘
Ursprünglich war der Tumulus nur für die Fürsten üblich, und erst im 8. Jahr-
hundert v. Chr. kam die Sitte auch für Privatpersonen auf. Konfuzius (551-501
v. Chr.) protestierte noch gegen diese neue Mode, denn für ihn kam es nur auf den
sachgemäßen Ausdruck der Gesinnung an, und er lehnte daher jeden Prunk aufs
schärfste ab. Gräber sollten nach ihm auf ödem Berghang angelegt werden, damit
nicht Ackerland versperrt und keinesfalls ausgedehnte Baumpflanzungen und hohe
Grabhügel zum Hindernis des Landbaues würden. Schließlich gab er seine Zustim-
mung, daß auf dem Grabe seiner Mutter ein kleiner Hügel errichtet wurde. Damit
war das Vorbild für die Zukunft gegeben (Abb. 86).
Abb. 86 Grabfeld bei Canton
(Aus: Thomson, Tlıe Chinese)
Die große Masse des Volkes konnte von dieser reinethischenAnschau-
ung nicht befriedigt werden. Die Folge war, daß der mehr mystische Taoismus,
bereichert durch die von Indien eindringenden Vorstellungen, einen bedeutenden
Anklang fand und alle älteren Ideen durchsetzen und verändern konnte. Aus
der moralischen Pflicht des Totenkultus wurde eine mit Aberglauben verquickte
Mode, die mehr zum eigenen Vorteil als aus Dankbarkeit gepflegt wurde. Die
Gebräuche sollten Schutzmaßreseln gegen das unheimliche,: schädliche Gespenst im
Toten sein, das gebannt werden muß, damit es nicht als Vampir umgehe und das Leben
bedrohe. Die verschiedenen Handlungen sollten den Toten günstig stimmen, damit
er die Nachkommen segne. Der Tag der Beisetzung wurde ebenso bedeutungsvoll
wie der Ort. Die Begräbnisformen wurden zu einer Reihe von Zaubergebräuchen,
symbolischen Formen und leeren Formeln gestaltet. Sie sind ein buntes Durch-
einander von Höchstem und Niedrigem, von hohen sittlichen Vorstellungen im Sinne
der klassischen Zeit, überwuchert von symbolischen Spielereien und abergläubischen
Konventionen. Und je moderner die Zeit, desto stärker der Aberglaube, desto sinn-
loser das starre Festhalten an mystischem Zauberspuk.
Wenn auch die Motive sich veränderten und die Formeln wechselten, so ist
doch jene praktische Folgerung durch alle Zeiten die gleiche geblieben, nämlich dem
Toten Monumente zu errichten, die für die Ewigkeit gebaut und durch die Verehrung,
bezw. Furcht vor den Seelen der Verstorbenen geschützt werden. Alle Schätze
der Tempel und Paläste sind geplündert und geraubt worden, sowohl von Barbaren
wie von Rebellen, von Gesindel und Räubern, aber unberührt stehen noch zahllose