62 Grabmonumente
Totenhügel im ganzen Reich, wenn auch zu verschiedenen Zeiten teils aus Hab-
sucht, teils aus Sammelinteresse viele Grabstätten schon geöffnet sein dürften.
Im wesentlichen sind diese Ideen bisher so stark gewesen, daß sie selbst der
Wissenschaft und der Technik Halt geboten haben.
Der Eisenbahnbau hatte deswegen im Anfange der neuen Zeit die größten
Widerstände zu überwinden, da stets Gräber beseitigt werden mußten. Hoffentlich
kommt bald eine Änderung der Anschauung, und die chinesische Regierung wird
in Museen die Schätze aufreihen, die heute vielleicht noch in Massen vergraben
liegen. Allerdings darf man die.Hoffnungen nicht zu hoch stellen. Bei dem
Eisenbahnbau in den letzten Jahren sind viele Millionen Kubikmeter Erde in den
ältesten Kulturprovinzen des Nordens bewegt, tausende Gräber sind geöffnet worden,
aber das Resultat war sehr bescheiden Man fand häufig tönerne Kultgeräte, die
bis zur Konfuziuszeit zurückdatiert werden, vereinzelt Münzen, aber sehr selten
kleine Bronzen, und andere Totenbeigaben überhaupt nicht. Auch Steinreliefs
sind nur sehr selten bisher gefunden.
Einige Grabhügel, die etwa dem 5.—8. Jahrhundert n. Chr. angehören dürften,
haben wir bereits kennen gelernt (Bd. I, Abb. <—12). Als ältester Be-
gräbnisort eines chinesischen Kaisers gilt ein Erdhügel von etwa 20 Fuß
Höhe und 100 Fuß Umfang in der Nähe des Konfuziusgrabes in der Provinz
Shantung; vor demselben steht eine Kalksteinpyramide mit Inschriften, und auf
der Südseite ist eine mehrere hundert Fuß lange Allee. Dort soll der legenden-
hafte Kaiser Shou Hou (2594-2511 v. Chr.) begraben liegen,
Man pflegte die Kaiser in der Nähe ihrer Hauptstädte beizusetzen, wenn an-
gängig in einem Tale, das nach Süden offen war. So finden sich bei Singanfu drei
Gräber von Kaisern der Choudynastie (1122—255 v. Chr.), fünf von der Han-
dynastie (206 v. Chr. bis 221 n. Chr.), und ebenfalls fünf von der Tangdynastie
(618—907) usw. Bei Loyang hatten wir bereits die zahlreichen Grabhügel
(Bd. I, 8. 26) kennen gelernt, es sollen zwölf Kaiser, darunter viele der Han-
dynastie, dort begraben sein. In Nanking sind elf Kaiser der Tsindynastie
(265—419) beigesetzt. Nirgends ist mehr als der kahle Grabhügel sichtbar,
und der Inhalt ist unbekannt. Die Bauten am Grabe des Konfuzius (Abb. 119)
gehören erst einer viel späteren Zeit an.
Die Formen der Erdhügel schwanken in Höhe und Umfang, aber sie sind meist
in sanfter Kegelform; Regen und Wind dürfte diese Abrundung unterstützt haben.
Wir trafen aber auch Stufenpyramiden (Bd. I, Abb. 12) an mit glatten Wänden aus
geknetetem und gestampftem Lehm auf breitem Unterbau. Die zahlreichen Schrift-
tafeln an vielen Hügeln sind verwittert und geben keine Kunde mehr über Zeit und
Namen der Begrabenen.
Im Norden an der Grenze Koreas lernten wir eine Steinpyramide mit vielen
Stufenabsätzen kennen (Bd. I, Abb. 9), über deren Herstellung uns eine Steinstele
aus Serpentin von etwa 6 m Höhe mit Inschrift!) genaue Auskunft gibt. Sie stammt
von der Dynastie des koreanischen Königreiches Kaokuli, das im 5. Jahrhundert
eine Zeit des Glanzes und der Macht erlebte, und das der Vermittler chinesischer Kultur
und Kunst nach Japan wurde.
Sieben Absätze der vierseitigen Stufenpyramide aus enormen rötlichen Granit-
blöcken sind erhalten. In der mittleren Höhe bei dem fünften Absatz ist eine weite
Öffnung, die den Eingang in die innere Grabkammer bildet. Ganz eigentümlich
sind an jeder der vier Seiten je drei schräge Steine, die wie eine Art Stütze an-
1) Ohavannes, Les monuments de l’ancien royaume Cor6en de Kao-Keot-li, T’oung
Pao, 1909. — Bältz, Dolmen und alte Königsgräber in Korea, Zeitschrift für Ethnologie,
1910, 8. 276, 2 Abbildungen.