Full text: Hülfswissenschaften zur Baukunde (Abtheilung 1, Band 1)

    
  
   
   
  
  
   
  
  
  
   
   
  
   
   
   
  
  
  
  
  
   
  
    
  
   
    
  
  
  
   
   
   
  
  
   
   
   
   
     
    
   
  
    
   
     
   
     
   
   
   
  
  
  
    
   
  
   
  
  
    
    
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Das Privat-Baurecht. 
l. Traufrecht.!) Es besteht in der Befueniss, das durch Natur-Ereignisse 
herbei geführte Wasser vom Dach des eigenen Gebäudes auf den nachbarlichen 
Grund und Boden in Tropfenform niederfallen zu lassen, weshalb es der gemeinrecht- 
lichen servitus stillicidiüi entspricht. Es handelt sich hier also nur um die auf dem 
beschränkten Flächenraume des Daches sich sammelnden Flüssigkeiten, so dass 
nur Regen und Schnee in Frage kommen, welche unmittelbar und auf natür- 
lichem Wege auf das nachbarliche Grundstück gelangen. Das Recht zur Dachtraufe 
muss besonders erworben sein; sein Bestehen hindert jedoch den Eigenthümer 
des belasteten Grundstücks nicht an Vornahme beliebiger Anstalten, welche dem 
ferneren Laufe des herab fallenden Wassers Einhalt thun, sofern nicht ein besonderes, 
darauf eerichtetes Untersagungs-Recht besteht. Selbst im letzteren Falle ist ihm 
der Bau auf der Fläche, wohin der Abfall erfolet, gestattet; doch muss er Vor- 
kehrungen treffen, dass das Abfallen der Tropfen noch möglich bleibt, was unter, 
dem eesetzl. Ausdruck „die Traufe unter sein Dach aufnehmen“, verstanden wird. 
Deshalb bewirkt auch der Bau unter der Traufe keine Aufhebung des Traufrechts. 
Der Trauf-Berechtigte darf ohne Erlaubniss des Verpflichteten keine Verände- 
rune der Baulichkeiten vornehmen, welche das Zuführen eiver grösseren Wasser- 
menge zur Folge haben kann, also seinGebäude?) weder erhöhen noch erniedrigen, 
dem Dache keine grössere Ausdehnung geben und schliessl. den: Vorsprung des 
Daches nicht weiter als bisher in den Luftraum des nachbarl. Grundstücks führen. 
In früheren Zeiten war es jedoch üblich, mit den eigenen Baulichkeiten so weit 
von der Nachbar-Grenze entfernt zu bleiben, dass die Traufe auf eigenen Boden fiel. 
Es bildeten sich deshalb zwischen benachbarten Grundstücken leer gelassene Flächen, 
die man Traufeänee nannte. Dies führte zu der Rechts-Vermuthung,?) dass solche 
Traufgänge gemeinsames Eigenthum beider Nachbarn seien, indem jeder die Hälfte 
dafür frei gelassen habe, welche indess durch die Gegen-Vermuthung des Allein- 
Eieenthums Dessen oeschwächt wird, dem allein die Traufe dorthin fallen lässt 
und Gossen, Private (Vergl. S. 307) oder offene Fenster dahin hat, sowie auch durch 
den Beweis des Allein-Eigenthums beseitigt werden kann. 
2. Das Recht des Ausgusses.!) Darunter versteht man die Befugniss, 
das durch Natur-Ereigenisse herbei geführte Wasser vesammelt auf das nachbarliche 
Grundstück zu leiten, z.B. unter seinem Dach in Rinnen aufzufangen, welches der 
serv, Jluminis recipiendi des römischen Rechts entspricht. Es kommen nicht nur 
diejenigen Wasser in Betracht, welche auf die verschiedenen Punkte des 
berechtieten Grundstücks niederfallen, sondern auch Flüssigkeiten, welche von 
anderen Natur-Ereienissen oder von dem Betriebe der Hauswirthschaft oder eines 
Gewerbes herrühren. Das Wasser wird durch die Anlage einer Dachrinne, eines 
Kanals oder sonstiger Vorrichtungen künstlich auf das belastete Grundstück ge- 
leitet. Derjenige, dem das Recht des Ausgusses zusteht, ist keineswegs befugt, 
das Wasser in Tropfenform auf das nachbarliche Grundstück fallen zu lassen. 
Falls zur Abführung von Flüssiekeiten ein Kanal erforderlich ist, muss der- 
selbe bedeckt und mit einem eisernen Gitter versehen sein. 
Gesetzlich hat jeder Eigenthümer zunächst die Pflicht, das auf seinem Grund- 
stücke sich sammelnde Wasser von dem nachbarlichen Grundstück abzuhalten. 
Erst der Erwerb der besonderen Grund-Gerechtiekeit des Ausgusses bringt ihn in 
die Lage durch besondere Vorkehrungen das gesammelte Wasser dem nachbar- 
lichen Grundstück zuführen zu dürfen. Es sind aber hier nur solche Rechte ge- 
meint, welche zwischen je zwei aneinander grenzenden Grundstücken bestehen; es 
cehören deshalb nicht hierher tumfangreichere Wasserleitungen, welche dazu dienen 
sollen, von einem grösseren Komplex oder einer ganzen Ortschaft das Wasser auf- 
zunehmen. Eine solche Anlage, welche sich auf verschiedene im Zusammenhang 
stehende Besitzungen bezieht, geht entschieden über den Begriff eines Ausgusses 
hinaus, selbst wenn es sich im wesentlichen nur um Regenwasser handelt. Der 
Kanal ist auf dem dienenden Grundstück zu decken. Das Recht des Ausgusses 
umfasst keineswees ohne weiteres die Befugniss, unreines Wasser von dem herr- 
schenden Grundstück durch das nachbarliche Grundstück abzuführen, welches die 
  
I) A. L.-R. I. 8 $ 189 59. B. @: B. 8 357. 643. Man s. C. c. Art. 681. Bad. L. R 
s 681. Württ. Ges. v. 6 { 1872 Art. 56. ) Nicht blos das Dach desselben: m. s. Grein 
8. 190 u. Müller, $. 135. MAR, L 8.8 1921 ı) A. L.-R. I. 22 S 60. B}.G077B/8:90% 
Württ. Ges. v. 6. Okt. 1872. Art. 57. 58 
  
  
    
  
  
  
 
	        
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