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Das orientalische Alterthum. 1]
Ein wunderbares Denkmal aus jener alt-arischen Blüthezeit der Eisentechnik
ist der Lhät von Delhi — der Pfeiler von Delhi — eine massive schmied-
eiserne Säule, Fig. 7, an welche sich uralte Sagen der Inder knüpfen. Die
Grenze des sehr hohen Alters dieser Säule zu bestimmen, ist den Gelehrten
bisher nicht gelungen. Räthselhafter aber noch als das Alter bleibt die Her-
stellungsweise der Säule. Denn die alten Inder stellten, so viel wir wissen,
ihr Eisen nur mit Hilfe der einfachsten Vorrichtungen dar und das Schweissen
und Schmieden eines so kolossalen Blocks (von etwa 16m Länge und 0,5 m
Durchmesser) würde heute selbst in Europa, wo Dampfhämmer und Schweiss-
öfen von gewaltigen Abmessungen zu Gebote stehen, immer noch grosse
Schwierigkeiten bereiten und als eine ausserordentliche Leistung bewundert
werden.
Auch zu baulichen Zwecken haben die Inder das Eisen schon frühe benutzt.
Dies ist zunächst aus der wundersamen Erzählung von den Prachtbauten des
singhalesischen Königs Dushtagämini, der von 171 bis 137 v. Chr. regierte,
zu entnehmen. Eins seiner Gebäude, der Lohapräsäda, trug auf 1600 steinernen
Säulen 9 Stockwerke mit je 100 Priesterzellen und bekam seinen Namen
von den eisernen Dachsteinen, mit denen es eingedeckt war!). Ein anderes,
nicht minder grossartiges Gebäude, der Mahästupä, barg in seinem Innern
eine ganz aus Edelsteinen zusammen gesetzte Reliquien-Zelle und in seinen
Fundamenten mehre Lagen von eisernen Platten, die mit andern Lagen aus
Kristall, Silber und von mit rothem Arsenik gemischtem Sesamum-Oel zusammen
wohl den Zweck hatten, das Eindringen der Erdfeuchtigkeit zu verhüten?).
Ferner bezeugt Fergusson in seinen Illustrationen der alten Architektur von
Hindostan®), dass in dem 1236 bis 1241 erbauten Tempel von Kanaruk, in der
Präsidentschaft Madras, und in
ähnlicher Weise auch in andern
indischen Tempeln mehre eiserne
Tragbalken von je etwa 20cm
Stärke im Quadrat zur Unterstützung
eines Thorsturzes von 6m Weite,
Fig. 8, angewendet worden sind.
Höher noch als die vorer-
wähnten beiden Leistungen der
Inder in der Schmiedetechnik stan-
den ihre Leistungen auf dem Gebiete
der Stahlbereitung. Die un-
übertroffene Güte des indischen
Stahls wurde von jeher anerkannt. Archäologische Funde, Spatel und Werkzeuge
von Stahl, die aus der Zeit um 1500 v. Chr. stammen, beweisen daneben das hohe
Alter. Wie sehr die Inder selbst den Werth ihres Stahls bereits um die Zeit
400 v.Chr.schätzten, geht aus dem Berichte des Quintus Curtius hervor, nach welchem
der besiegte Porus dem Alexander einen Barren indischen Stahls im Gewichte
von etwa 1l5ks als Geschenk verehrte. Auch wurden gute Schwertklingen in
den Schatzkammern indischer Fürsten wie die grössten Kostbarkeiten aufbewahrt.
Aus diesem Stahl wurden die im Alterthum wegen ihrer ausserordentlichen
Elastizität und Schneidigkeit so hoch berühmten Waffen gefertigt, auch Werk-
zeuge und Instrumente, die zum Bearbeiten und Glätten der härtesten Gesteine,
selbst der Edelsteine benutzt werden konnten.
Ueber die Darstellungsweise des indischen Stahls, sowie über die Bereitung
des Eisens überhaupt, geben uns die alten Schriften nur wenige Fingerzeige.
Der Bericht des Ktesias klingt etwas wunderbar, und Aristoteles®) beschreibt uns
zwar, wie die Chalyber (vergl. unter III.), aber nicht wie die Inder selbst das
!) Loha bedeutet Eisen und präsäda Tempel oder königlicher Palast. Nach dem alten
indischen Geschichtswerk der Mahävanga des Mahänäma, Kap. XXIX. Lassen. Ind.
Alterthümer II. S. 418.
2) Ebendas. 8. 524.
8) London 1848. S. 28. Taf. 3.
#) Meteorologica IV. 6.
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