Full text: Eisen und Eisenkonstruktionen in geschichtlicher, hüttentechnischer und technologischer Beziehung (Abtheilung 1, Band 2, Heft 1)

Das orientalische Alterthum. 15 
Aus dem Angeführten und aus vielen andern Bibelstellent) geht hervor, 
dass die Juden in der Kunst der Eisenbereitung wohl erfahren waren. Sie 
verstanden vortrefflich zu schmieden und zu schweissen und selbst das Blechschlagen 
und das Vernieten des Bleches war ihnen nicht unbekannt. Dass sie auch den 
Stahl kannten, entnehmen wir aus einigen Bibelstellen, die uns zugleich der 
armenischen, arabischen und phönizischen Metallbereitungs-Kunst näher bringen. 
Wenn der Prophet Jeremias sagt?): „Meinst Du nicht, dass etwa ein Eisen sei, 
welches könnte das Erz und Eisen von Mitternacht zerschlagen ?“, so deutet er 
hiermit auf das „Eisen des Nordens‘ hin, das schon die Aegypter schätzten 
(S. 9), aber jedenfalls wobl Stahl gewesen ist Ferner spricht der Prophet 
Hesekiel in seinem Klageliede über den Fall von Tyrus°) ausdrücklich von 
Barselaschoth, d. h. wörtlich „gehärtetes Eisen“ und belehrt uns gleichzeitig 
darüber, dass dieses Erzeugniss durch Vermittlung der Phönizier aus Arabien 
kam®). Das Eisen des Nordens, der Stahl, stammte wahrscheinlich aus dem 
nördlichen Armenien, wo das Volk Thubal seinen Sitz hatte, das am Pontus- 
Gestade bei Kerasus und Trapezus wohnte. Dies ist das im klassischen Alter- 
thume so hoch berühmte Völkchen der Chalyber, das „Volk der Schmiede“, 
welches die Härtung des Eisens zu Stahl erfunden haben soll. Deshalb 
bringt man mit seinem Namen die griechische Bezeichnung für Stahl — chalybs 
— in Verbindung. 
Nach Aristoteles5) wuschen die Chalyber das Erz aus dem Gerölle der 
Flüsse und schmolzen in einfachen Heerden Eisen daraus. Wollten sie reineres 
Eisen (Stahl) erhalten, so wuschen sie das Erz wiederholt und verschmolzen 
es dann unter Zusatz des Steines Pyrimachus, der bei ihnen häufig gefunden 
wurde. Diodor sah im Lande der Chalyber, dem „Mutterlande des Eisens“, 
wie es Aeschylos®) bezeichnet, noch die Spuren ihrer einstigen Thätigkeit und 
selbst bis auf den heutigen Tag hat sich diese uralte Eisenindustrie im nörd- 
lichen Armenien erhalten. 
Wenn man die Chalyber „Lehrmeister der Griechen“ nennt, so kommt den 
Lydiern, deren Reich unter Krösus (600 v. Chr.) in höchster Blüthe stand, 
dieselbe Bezeichnung mit noch grösserem Rechte zu, obwohl es sich zwischen 
Lydiern und Griechen weniger um technische Dinge als um Angelegenheiten 
des öffentlichen Lebens handelte. Herodot?) erzählt uns von einem silbernen 
Mischgefäss mit einem Untersatz von gelöthetem Eisen, das Glaukos aus 
Chios, „der allein unter allen Menschen die Löthung des Eisens erfunden hat“, 
im Auftrage des lydischen Königs Allyates fertigte und das nach seiner An- 
sicht das „sehenswertheste unter allen andern. delphischen Weihgeschenken“ 
war. Ferner erfahren wir von.Daimachos, einem Schriftsteller, der zur Zeit 
Alexander d. Gr. lebte, dass die Lydier Meister in der Stahlbereitung waren. 
Er schreibt u. a.: „Von Stahlsorten giebt es den Chalybischen, den von Synope, 
den Lydischen und den Lacedämonischen. Der Chalybische ist der beste für 
Zimmermanns-Werkzeuge, der Lacedämonische für Feilen, Bohrer, Grabstichel 
und Meissel; der Lydische ist ebenfalls geeignet für Feilen, ferner für Messer, 
Rasirmesser und Raspeln®).“ 
Aelter als die Ansiedelung der Hebräer in Kanaan war die Niederlassung 
der stammverwandten Phönizier und Araber. Die älteste, vornehmste Kunst 
war in Arabien das Schmieden; deshalb heisst dort jeder Künstler „Schmied“ ?), 
ähnlich wie in Skandinavien, wo man lange Zeit jede Arbeit, auch die geistige 
„Schmieden“ nannte !P). Unter den Schmieden standen die Schwerterschmiede 
oben an, und mit berühmten Schwertklingen wurde, wie in Indien, ein förm- 
licher Kultus getrieben. An dem Ruhm, den die arabischen Waffenschmiede 
1) Vergl. eine Zusammenstellung aller Stellen in dem Werke von Dr. Beck, S. 171. 
2) Jeremias 15, V. 12. 
3) Nach Dr. Beck. 8. 170. 
4) Hesekiel, 27, V. 19. 
5) De mirab. auseult. 49. ’ 
6) Prometheus. 302. 
7) Herodot I, 23. 
8) Dr. Beck. 8. 201. 
9) Freitag. Einleitung in das Studium der arabischen Sprache. Bonn 1861. 
10) Weinhold. Altnord. Leben S. 9. 
  
 
	        
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