Full text: Eisen und Eisenkonstruktionen in geschichtlicher, hüttentechnischer und technologischer Beziehung (Abtheilung 1, Band 2, Heft 1)

  
  
  
  
  
  
  
24 Allgemeine Geschichte des Eisens und der eisernen Tragwerke. 
Beschlägen und zur Herstellung der Standfestigkeit des Fenster-Maasswerks 
verwendet. 
Der Hammer war fast das einzige Werkzeug der alten Schmiede des Mittel- 
alters; die Feile spielte damals noch eine ganz untergeordnete Rolle. Wasser- 
hämmer und Drahtzüge waren noch nicht bekannt; Draht und Blech musste da- 
her von Hand geschmiedet werden; jedoch leisteten die alten Schmiede mit dem 
Hammer und in der 
Kunst des Schweissens 
ganz Ausserordent- 
liches. Dagegen gelang 
es ihnen, mangels me- 
chanischer Hilfmittel 
nicht, grosse Schmie- 
destücke zu schaffen. 
Selbst bis zum Ende 
des 18. Jahrhunderts 
sind Stücke von mehr 
als 200ks grosse Sel- 
tenheiten!). Trotzdem 
erreichte die Schmiede- 
kunst im Mittelalter 
eine solche Höhe der 
Entwicklung, dass sie 
in vielen Beziehungen 
"noch heute als muster- 
gültig, zum Theil als 
unerreicht dasteht. 
Nach Erfindung des 
Eisengusses und Ein- 
führung zahlreicher 
mechanischer Hilfsmittel ging es naturgemäss mit 
der Schmiedekunst bergab. Violet le due sagt 
treffend: „En perfectionnant les procedes meca- 
niques, Uhomme neglige peu & peu cet outil supe- 
rieur a tout autre, quwon appelle la main“?). 
b. Entwicklung des Verfahrens der mittelbaren Eisen-Erzeugung und 
Erfindung des Eisengusses. 
Eingehendere Nachrichten über den Stand der Eisengewinnung des frühen 
Mittelalters fehlen uns. Das erste systematische Werk über die metallurgische 
Litteratur sind die ibri XII, de re metallica, die der berühmte Chemnitzer Arzt 
Georg Agricola im Jahre 1515 herausgab. Das Werk enthält eine voll- 
ständige Uebersicht aller zu damaliger Zeit gekannten Arten, betreffend die 
Gewinnung, Bearbeitung und Probirung der Erze. 
Das Kapitel über die Eisengewinnung ist aber das dürftigste in seinem 
Buche; auch kennt Agricola keine andere Darstellung des Eisens als die 
unmittelbare Gewinnung desselben aus den Erzen, durch die sogen. Rennarbeit, 
ein Beleg dafür, dass man zu seiner Zeit, seit fast 2000 Jahren, auf dem 
Gebiete der Eisenbereitung kaum Fortschritte gemacht hatte. Man benutzte bei 
der Rennarbeit kleine, den Schmiedefeuern ähnliche Herde — später Renn- 
feuer und Luppenfeuer genannt — auf denen, unter Anwendung schwacher und 
unvollkommener Gebläse, nur niedrige Hitzegrade erzeugt werden konnten. 
Das Erz wurde zum Unterschiede von dem beschriebenen katalonischen und 
korsikanischen Verfahren, (S. 22) über die ganze Herdfläche ausgebreitet und 
die Schlackenbildung durch vorgängiges Einschmelzen einer bestimmten Erzmenge 
gefördert. Der eigentliche Herd hatte etwa 30—50 cm Tiefe und die 
Behandlung eines Satzes von je 0,6t Erz dauerte etwa 6 Stunden. Man ver- 
wendete auch niedrige Schachtöfe n, welche, nach aufgedeckten Ueberresten 
zu urtheilen, in ältester Zeit etwa 1,50m hoch und 0,50 m weit waren. 
Fig. 28. Hand-Blasebalg. Fig. 29. 
  
  
   
1) Dr. Beck. 8. 839, 
2) Dietionn. de Varch. VIIL, S. 288.
	        
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