Full text: Technische Mechanik fester, flüssiger und luftförmiger Körper (Abtheilung 1, 3. Heft)

  
506 Mechanik fester Körper. 
Für grafische Behandlung lauten die Bedingungen (8) für die Ebene: 
l. Die Kräfte müssen sich zu einem geschlossenen Kräftepolygon 
vereinigen lassen; 
2. Zwischen den Kraftrichtungen muss ein geschlossenes Seil- 
polygon zu zeichnen sein. 
.d. Eigenschaften und Anwendung des Seilpolygons. 
«. Die Polaraxe. 
Wenn man für ein gegebenes Kräftesystem der Ebene 2 Seilpolygone für 2 
verschiedene Pole O und ©, konstruirt, so liegen die Schnitt- Punkte je zweier 
entsprechenden Seilpolygon -Seiten auf einer und derselben Geraden, der Polar- 
axe, welche zur Verbindungs-Geraden OO, der beiden Pole parallel ist. 
Es sei 6, C, 6, C,, Fig. 221, das Kräftepolygon, 0 der Pol, das in starken 
Linien ausgezogene Polygon das (nach S. 503 ff. konstruirte) erste Seilpolygon, O, der 
neue beliebig gewählte Pol. Zieht man dann die Polaraxe XX parallel zu OO,, so 
müssen nach obigem Satze die beiden äussern Seiten des neuen mit O0, zu 
konstruirenden Seilpolygons bezw. durch die Schnittpunkte D, und D, der Polar- 
axe mit den äussern Seiten des 1. Seilpolygons gehen. Desgl. müssen sich die 
korrespondirenden Seilpolygon-Seiten zwischen den Kräften ?, und P,, P, und P; 
bezw. im den Punkten A, und A, der Polaraxe schneiden. 
Fig. 221. 
    
Der Beweis dieses Satzes erhellt direkt aus der Figur. Die Seilspannungen 5; und 
- T;, S, und — 7, bezw in den Knotenpunkten, durch welche die Kraft 7, verläuft, 
halten sich im Gleichgewicht, da das betr. Viereck im Kräftepolygon sich schliesst. 
Die Resultante von S,;, und — T, hat dabei gleiche Grösse und Lage mit 
der Resultante von S,; und — T;,, aber entgegengesetzten Sinn.‘ Sie ist nach 
dem Kräftepolygon gleich und parallel der 0 O,; folglich müssen die Schnittpunkte 
D, und A, in einer Geraden liegen, welche der OO, parallel ist. Dasselbe eilt von 
den übrigen Knotenpunkten der beiden Seilpolygone. Die Schnittpunkte der ent- 
sprechenden Seilpolygon-Seiten müssen daher alle in einer und derselben Parallelen 
zur OO, liegen. — Den Satz von der Polaraxe kann man u. a. benutzen, um ein 
bestimmtes Seilpolygon, das z. B. durch 2 oder 3 gegebene Punkte gehen soll 
zu konstruiren. 
Es lassen sich zu den nach Lage, Grösse und Richtung gegebenen Kräften 
unendlich viele Seilpolygone durch 2 Punkte legen; durch 3 Punkte ist aber 
nur ein einziges Seilpolygon möglich. 
A. Legung eines Seilpolygons durch 3 gegebene Punkte. 
Die Punkte seien A, 3 und C, Fig. 222; und zwar möge je eine äussere Seil- 
polygon-Seite (oder deren Verlängerung) durch A bezw. B, und die zwischen den 
gegebenen Kraftrichtungen 1 und 2 liegende Seite durch € gehen. 
Zu dem Kräftepolygon mit beliebig gewähltem Pol © zeichne man zuerst 
ein Seilpolygon, dessen äussere Seite A, A, von vorn herein, parallel zum Strahl 
OC, so eingelegt wird, dass sie durch den gegebenen Punkt A verläuft. Nun lege 
man eine beliebige Polaraxe (z. B. die AX) durch A, verlängere die Seilpolygon- 
Seite A, A, bis sie die AX in db schneidet und ziehe die 3b. Dann bestimmen die 
im Kraftpolygon durch O und C, bezw. zur Polaraxe und zur 3b gezogenen Parallelen 
durch ihren Schnittpunkt O, einen neuen Pol, den man benutzt, um ein 2. Seilpolygon 
zu zeichnen, dessen beide äussern Seiten bezw. durch A und 3 verlaufen. 
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