Full text: Der Wasserbau (Abtheilung 3, 2. Heft)

   
130 Deich- und Sielbau. 
oft lange Zeit hindurch stattfindet, und zwar in solchem Maasse, dass unzeitig 
eingedeichtes Land dadurch ganz seine natürliche Abwässerungsfähigkeit ver- 
liert, selbst wenn es anfangs hoch über dem niedrigen Wasserstande gelegen 
hat. Erfahru ungsmässig ist an der Nordsee eine Höhe von mindestens 
1,3 m über niedrigen Hochwasser für erforderlich, das Sinken des Geländes bis zu 
einer schädlichen Tiefe zu vermeiden. Man nennt solchen Boden „reif“. Mit solcher 
Höhe pflegt nämlich schon eine gewisse Dichtigkeit verbunden zu sein, während 
ein etwas niedrigerer Boden unverhältnissmässig weicher und wasserhaltiger ist. 
Bei jener Höhe des Geländes erfolgt ausserdem kaum noch eine Zunahme, weil 
er nur noch selten überschwemmt wird. Es ist aber fast nie zu erwarten, dass 
die weit von der See ab gelegenen Landflächen die gleiche Höhe ot den 
näher liegenden erlangen. Sie sind auch früher meist mit Torfmoor bedeckt 
gewesen und liegen nach dessen Abgrabung oft unter dem Spiegel des gewöhn- 
lichen N. W. so "dass sie nur durch künstliche Entwässerung trocken zu halten 
und nutzbar zu machen sind. Je weiter dann die äussere Eindeichung fort- 
schreitet, desto ungünstiger wird die Lage solcher Flächen zum Aussenwasser. Im 
übrigen Wirkön Seedeic ‚he nicht merklic :h auf die natürlichen Verhältnisse zurück. 
Bei den Flussdeichen sind die Wirkungen mannigfaltiger: Zunächst 
ist zu beachten, dass das eingedeichte Land nicht mehr (wenn nicht besonders 
grosse Einlässe für Hochwasser geschaffen sind) die Sinkstoffe und die befruch- 
tende Wirkung des Hochwassers, vielmehr oft nur dessen unfruchtbares und 
schädliches Qualm- oder Kuverwasser empfängt, dass dagegen das uneingedeichte 
Vorland in der Regel jene günstigen Wirkungen in verstärktem Maasse erfährt, 
wenn nicht etwa das Michr asser SO eingegrenzt ist, dass eine die Ablagerung 
verhindernde Strömung geschaffen wird. 
Fast mit allen Fluss- Deichen ist eine solche Einsel hränkung des Hochwasser- 
rofils verbunden, dass dadurch eine Erhöhung der Hochw asserstände erfolgt. 
Fuss nun etwa während der letzten zwei Jahrhunderte einerseits die Zuführung 
des Hochwassers namentlich durch Entwaldung der Berge, durch Kulturen und 
Regulirung der kleineren Wasserläufe sehr zugenommen hat und andererseits 
aus den frühern unvollkommen und niedrig angelegten Deichen mit vielfachen 
Unterbrechungen jetzt hohe, starke und ununterbrochen zu beiden Seiten der 
Flüsse entlang geführte Deiche geworden sind, ist das Hochwasser mancher 
Flüsse um mehrere Meter gewachsen, auch in seiner Dauer oft um einige 
Wochen verlängert und sind damit die ursprünglich bei der Eindeichung 
der einzelnen Lände ereien bestandenen Verhältnisse völlig verändert worden. 
Es sind thatsächlich in einzelnen Gegenden, trotz des dure ;h gesteigerte Kultur 
erhöheten Bodenwerthes des eingedeic 'hten Landes die U nterhaltungslasten des 
höhern und stärkern Deiches so vermehrt, die Entwässe rung des "Landes ist 
so erschwert und endlich sind die Gefahren und Schäden von Deichbrüchen so 
gross geworden, dass eine gänzliche !Beseitigung‘ oder theilweise Abtragung 
der Deiche ernstlich in Frage kommt. Wenn auch schon wegen der in den 
Marschen liegenden Wohnungen und Verkehrs-Anstalten, sowie w egen des 
Getreidebaues usw. eine völlige Niederlegung der Winterdeiche nur ausnahms- 
weise eintreten kann, so ist doch, neben theilweiser Abtragung bis auf die Höhe 
von Sommerdeichen, noch die Ableitung des Hochwassers oberhalb besonders 
gefährdeter Punkte wie Ortse haften, in neuerer Zeit eine wichtige F rage ge- 
worden. Anstatt sämmtliches Hochwasser in dem durch die beiderseitigen 
Winterdeiche stark eisen Flussbette abzuführen, wobei die Höhe und 
Dauer der Anschwellung in Gefahr bringender Weise wäc hst, kann in manchen 
Fällen ein Theil des H. W. an geeigneten Stellen aus dem alten Bette ab- 
geleitet, zwischen wesentlich niedrigern Deichen, als die Winterdeiche sind und 
durch unbewohnte, dabei oft unfruchtbare Niederungen einem tiefer liegenden 
Punkte des Flusses wieder zugeführt werden. So gross die Vortheile durch 
Verringerung der Hochwassersgefahr und durch Befruchtung der Umlaufs- 
niederung aber auch sind, ebenso schwer hält es solche nachträglic hen Aende- 
rungen gegen den Widerspruch von Seiten der einzelnen Anlieger oder Ge- 
nossenschaften durchzusetzen. 
In den Fluthgebieten der Flüsse haben die Eindeichungen vielfach die sich 
   
   
       
  
  
  
    
     
    
     
  
       
    
     
  
     
    
   
     
     
    
   
   
      
  
     
      
   
  
        
  
    
   
    
   
     
     
  
	        
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