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Zur Physik des Meeres. 9
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Das Auflaufen auf eine schräge Fläche ist schon auf $. 7 als Ursache
einer unsymmetrischen Gestalt der Welle und des Brandens angeführt. Die
einzelnen Wassertheile werden in der Einhaltung der wagrechten Richtung, in
der sie sich zu bewegen streben, zunächst von unten her gehindert und be-
kommen dadurch oben eiue grössere Schwingungslänge. Die so gehobene Welle
erleidet aber jenes Hinderniss vorzugsweise nur in ihrem vorderen Theile. der
sich dadurch im Vergleich zum hintern Theile verkürzen muss, was endlich ein
Ueberschlagen von hinten nach vorn, oder das, unter Schaumbildung vor sich
gehende „Branden“ der Welle bewirkt. Hierbei wird vorzugsweise in dem
obern Theile aus der regelmässigen (drehenden) Bewegung der Wassertheilchen
eine vorwärts drängende, welche auf die im W ge befindlichen Körper einen leb-
haften Stoss ausübt. Indem so jede Welle einen Theil ihres Wassers nach dem
Ufer hinwirft, entsteht von demselben zurück nach dem offenen Wasser hin
ein Rückfluss, welcher ebenfalls auf den untern Theil der Wellen hindernd
und die Brandung begünstigend einwirkt; bei heftigem Sturm ist diese Rück-
strömung sehr bedeutend. Während schwimmende Körper mit dem oberen
Theil der Wellen landwärts getrieben werden, nimmt die Rückströmung selbst
schwere Gegenstände und namentlich Sand eine Strecke wasserwärts mit sich.
Das Auflaufen der Welle auf steilen und schrägen Grund kann nun auch
über einer weit vom Ufer entfernten, im offenen Wasser liegenden Untiefe
geschehen. Dabei entsteht je nach der Tiefe und der Stärke der Wellen entweder
eine wirkliche und sichtbare Brandung oder nur eine Erhebung, verbunden mit
einer Verkürzung der Welle; in letzterem Falle werden die — noch für eine lange
Strecke umgestalteten — Wellen Grundwellen genannt!). Vergl. Fig. 9.
Weil sich die Wellenbewegung als Störung des Gleichgewichts-Zustandes,
auch wenn sie von nur einem, in einer gewissen Richtung wehenden Winde
verursacht ist, derjenigen Wasserfläche mittheilen muss, welche zwar vor der
unmittelbaren Wirkung jenes Windes geschützt, aber mit der getroffenen
Wasserfläche in offener Verbindung steht, wird man bei gewissen Oertlichkeiten,
z. B. bei einer kleinen Insel auf der dem Winde abgekehrten (unter Wind,
in Lee, liegenden) Seite ebenfalls eine Wellenbewegung wahrnehmen, bei der
sogar eine Brandung dem Winde entgegen zum Ufer laufen kann; der Vor-
gang ist jedoch hier ein abgeschwächter. Die Brandungs-Erscheinung rührt
davon her, dass die Wellen neben einem gekrümmten Ufer nach und nach eine
Schwenkung vollziehen, doch ohne dass eine Vergrösserung ihrer Länge statt-
findet, also nur durch Vermehrung ihrer Zahl.
Wenn die Wellen aus einem offenen Wasser in eine sich allmählich ver-
engende Bucht oder einen engern Arm eintreten, erfahren sie durch die Ein-
wirkung der Ufer ebenfalls eine Erhöhung, die sich erst wieder verliert. wenn
eine entsprechende Erweiterung der Wasserfläche erfolgt. Diese Erscheinung
ist sehr wichtig für Hafenmündungen.
Die durch schräges Anlaufen entwickelte Stosskraft der Wellen, welche
sich, je nach der augenblicklichen Beschaffenheit der Welle, sowie in Folge
der Ablenkung durch die Gestaltung des Ufers sowohl aufwärts, als auch vor-
wärts äussert, ist im wesentlichen abhängig von der Grösse der Wellen im
freien Wasser. Ausser durch die zufällig an verschiedenen Punkten beob-
achteten Wirkungen der Stosskraft, ist jene versuchsweise unmittelbar
gemessen worden durch Th. Stevenson?) mit Hülfe eines an festen
Gegenständen anzubringenden Apparats, bei welchem sich eine der Wellen-
bewegung entgegen gestellte Scheibe auf Führungsstangen gegen den Druck
mehrerer Spiralfedern um ein gewisses Maass verschiebt. Mit diesem Apparat
fand Stevenson den grössten Stoss der Wellen auf der Insel Tyree vor der
westlichen Küste von Schottland im Sommer und Winter entsprechend einen
Druck von 611 und 2086 Pfd. auf 1 IF. engl. und ausnahmsweise sogar von
6083 Pfdl. Wenn man die, meistens mit einer nur 12,5 cm im Durchmesser
grossen Scheibe gewonnenen Ergebnisse im einfachen Verhältnisse auf grössere
!) Vergl. hierzu besonders in Emy,i23.:0;
2) Th. Stevenson. The design and construction of harbours, Kap. IV.