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Binnenschiffahrt. 285
Waren die Wasserstrassen früher die einzigen Wege, auf denen Massen-
transporte bewerkstelligt werden konnten, so sind ihnen neuerdings in den Eisen-
bahnen gewaltige Mitbewerber erstanden, durch welche sie stellenweise ganz in
den Hintergrund gedrängt worden sind. Trotzdem können selbts in Ländern mit
dem entwickeltsten Eisenbahnnetz die Binnenlands -Wasserstrassen nicht entbehrt
werden und bieten dieselben unter Umständen grosse Vortheile darin, dass der
Schiffstransport bei grossen Massen und weiten Wegen sich erheblich billiger
stellt, als die Beförderung auf den Eisenbahnen. Durch die Ermässigung der
Frachtsätze über eine gewisse Grenze hinaus wird für viele Gegenden erst die
Möglichkeit geboten, ihre Bodenschätze und Erzeugnisse auf dem Weltmarkte
anzubieten. So ist das weite Absatzgebiet, welches sich westfälische und
böhmische Kohle, russisches und schwedisches Holz, Petroleum vom Kaukasus
und Getreide aus Nordamerika erobert haben, nicht zum wenigsten auf die
günstige Gelegenheit zurück zu führen, welche sich bot, diese Produkte auf
grosse Entfernungen auf Binnenwasser-Strassen zu befördern.
Wenn trotz der Billigkeit und der Fähigkeit grosse Massen mit verhältniss-
mässig geringen Mitteln zu befördern, die Binnenschiffahrt den Wettbewerb mit den
Eisenbahnen bisher nur in seltenen Fällen bestehen konnte, so hat diese Thatsache
ihren Grund in gewissen Mängeln der ersteren, welche dieser Betriebsart theils
naturgemäss anhaften und durch menschliche Kraft nur gemildert, nicht aber
ganz beseitigt werden können, theils Folge eingerissener Missbräuche und ein-
gelebter Gewohnheiten sind. Zu den ersteren gehören die Unterbrechungen,
welche die Schiffahrt durch Frost, niedrige und hohe Wasserstände, sowie bei
künstlichen Wasserstrassen durch zeitweilige Sperrungen erleidet — Unter-
brechungen, welche die pünktliche Innehaltung von Lieferfristen unmöglich
machen, sodann die Verlängerung des Weges, welche fast immer mit dem Trans-
port auf den Wasserstrassen, gegenüber den Eisenbahnen, verbunden ist, und die
in vielen Fällen den Vortheil geringerer Einheits-Frachtkosten wieder aufhebt.
Unter die Mängel letzterer Art fällt die geringe Sicherheit, welche bisher viel-
fach beim Wassertransport gegen Beschädigung und Diebstahl geboten ist, so-
wie die lange Liegezeit, welche Seitens der Befrachter den Fahrzeugen zuge-
muthet wird, und welche zum Theil so weit geht, dass Schiffe monatelang als
schwimmende Lagerhäuser dienen müssen. Zwischen beiden Missständen liegt
als besonderer die geringe Geschwindigkeit der Beförderung, welche der Wasser-
weg gegenüber den Eisenbahnen bietet. Ist es auch ausgeschlossen, dass die
Schiffe hierin jemals mit den Eisenbahnen wetteifern können, so unterliegt es
doch keinem Zweifel, dass durch Verdrängung der bisher noch vielfach üblichen
unvortheilhaften Betriebsarten eine wesentliche Besserung erzielt werden kann.
In dieser Hinsicht und namentlich auch zur Ermöglichung prompter Abferti-
gung der Schiffe und zur Erzielung grösstmöglichster Sicherheit der über-
nommenen Ladung ist es von Wichtigkeit, dass an die Stelle von Einzelschiffern,
von denen allein in früheren Zeiten die Binnenschiffahrt betrieben wurde,
neuerdings mehr kapitalkräftige, wohlorganisirte Schiffahrts-Gesellschaften treten.
Um welche gewaltigen Massen es sich schon jetzt im Binnenschiffahrts-
Verkehr handelt, ersieht man z. B. daraus, dass auf dem Rhein im Jahre 1888
rd. 17 Millionen Tonnen Güter bewegt worden sind, zu deren Beförderung
im ganzen 1700000 oder im Durchschnitt täglich 5000 Eisenbahnwagen erfor-
derlich gewesen sein würden. In den Schwesterhäfen Ruhrort—Duisburg allein
sind in demselben Jahre durchschnittlich in 1 Tag 1400 Doppelwaggons Stein-
koble angefahren und ist deren Inhalt in Schiffe verladen worden. In Berlin
erreichte der Schiffsverkehr im Jahre 1888 die Höhe von rd. 5000000 Tonnen.
Der Verkehr an Flossholz über die russische Grenze auf der Weichsel, welcher
neuerdings etwas zurück gegangen ist, hat im verflossenen Jahrzehnt nahezu
1 Milliont jährlich betragen und die Grösse des Frachtverkehrs auf den ameri-
kanischen Binnenseen, welcher zum weitaus grössten Theil auf der Getreide-
Ausfuhr beruht, wird für das Jahr 1880 zu nahezu 4!/, Millionen t angegeben.
In Deutschland gab es schon im Jahre 1877 15000 Flussschiffe mit fast
Vergl. Sympher.a.a. 0.