Allgemeine Grundzüge. 95
folgen sich daher alle 5 bis 30 Minuten, bei besondern Anlässen noch
öfter. Die Möglichkeit der Massenbeförderung ist ebensowohl ihr Vorzug, als
eine Bedingung zu ihrem Gedeihen. Bei geringem Verkehr und bei geringen
Entfernungen rentiren Eisenbahnen nicht; es muss daher eine gewisse Ein-
wohnerzahl in der Stadt sein, um ihre Anwendung für den örtlichen Verkehr
zu lohnen; man kann als Erforderniss etwa 40 000—50 000 annehmen, wenn es
sich um neue Projekte handelt.
Im allgemeinen gewähren Eisenbahnen auf Strassen (Trambahnen) gegen-
über solchen mit selbständigem Planum billigere Herstellung, reichlichere Ver-
zweigung, weniger todte Last. Uebrigens giebt es keine scharfe Grenze zwischen
diesen beiden Gattungen. Denn wenn auch das Planum von Strassen-Eisen-
bahnen in der Regel die Strassenoberfläche ist, so liegen sie doch auch wohl
streckenweise auf einem abgesonderten Streifen ausserhalb der befestigten
Fläche, z. B. neben Promenaden, auf Aussenstrassen, und vollends auf Land-
strassen. Umgekehrt verfolgt das Planum einer selbständigen Eisenbahn in
Städten oft eine Strasse — neben, über oder unter derselben — um Grunder-
werb zu sparen. Auch besteht eine scharfe Grenze zwischen Stadt und Land
ebenso wenig bei Eisenbahnen wie bei Strassen.
Der Werthsunterschied zwischen Omnibus und Strassenbahn wird mit Ver-
besserung der Strassenbefestigung immer kleiner; während er schon bei den
Durchschnittszahlen obiger Tabelle nicht erheblich erscheint, dürfte er fast
verschwinden, wenn der Omnibus z. B. auf einer Asphaltbahn fährt. Auch
der Vorzug der Geräuschlosigkeit und sanfteren Bewegung auf einer Eisenbahn
ist dann nicht mehr von Bedeutung. Da nun Omnibusverkehr in Bezug auf
die Anlage und Unterhaltung der Bahnfläche billiger ist, als eine Trambahn,
so muss man die letztere auf ebenen geräuschlosen Strassen für überflüssig er-
klären. Ja sie können sogar schädlich sein, wenn ein starker sonstiger Wagen-
verkehr stattfindet, welcher durch die Pflicht des Ausweichens gestört wird.
Aus diesem Grunde sind die inneren Stadtbezirke Londons nicht mit Strassen-
bahnen versehen, und auch in etlichen Strassen anderer Grossstädte dürfte es
bereits richtiger sein, dem Verkehr durch Omnibuslinien auf glatten Fahrwegen,
sowie durch Eisenbahnen mit seibständigem Planum zu Hülfe zu kommen, statt
ihn durch Einlegen von Strassenbahnen zu hemmen und gleichzeitig zu ver-
theuern. Strassenbahnen sind mehr am Platz auf Linien, welche wenigstens
auf dem grösseren Theil ihrer Länge eine gewisse Verkehrsgrösse nicht über-
schreiten und geräuschvolle oder mangelhafte Befestigung besitzen, bringen je-
doch eine gewisse Regelmässigkeit in den Verkehr und sind immer erheblich
leistungsfähiger als Omnibus.
Vorstehender Vergleich zwischen den 3 Hülfsmitteln städtischen Massen-
verkehrs wird recht klar gemacht durch die Statistik von London und Berlin,
Es betrug im Jahr 1886 die Anzahl der beförderten Personen auf 1 Kopf der
Bevölkerung:!)
Omnibus Strassenbahnen Selbständige Eisenbahnen.
London 18 31 24
Berlin 14 132) 13
In der letzten Spalte sind nur die eigentlichen „Stadtbahnen“ berücksichtigt,
nämlich in London. die unterirdische Ringbahn, in Berlin Stadtbahn und Ring-
bahn, aber ohne die nach aussen ziehenden Eisenbahnen, welche namentlich in
London mit ihren ersten Stationen auch noch viel Lokalverkehr bewältigen.
Um so mehr leuchtet ein,wie in Berlin die Strassenbahn vorherrscht, während
sie in London beinahe durch selbständige Eisenbahnen überflügelt ist und auch
der Omnibusverkehr grössere Bedeutung behalten hat. ' Innerhalb der letzten
20 Jahre hat sich die Verkehrsmenge der 3 genannten Anstalten in London auf
das Öfache gesteigert (die Bevölkerung nur um !/s)), und sind als Ursache und
Wirkung davon die Taxen der Strassenbahnen um mehr als die Hälfte, der
Stadtbahnen um etwa 1/, herabgesetzt.
‘ „Welche Bedeutung Strassenbahnen für den städtischen Verkehr besitzen,
1) Wochenblatt für Baukunde 1887, 506. v. Lindheim a.a.O.
2) Im Jahr 1889 schon über 100.
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