98 Städtische Strassen-Eisenbahnen.
Fahrt liefert das Reservoir den Dampf zum Betrieb der Lokomotive,
welche übrigens wie gewöhnlich konstruirt ist. Der Abdampf endlich wird
kondensirt, da ein Blasrohr beim Mangel einer Feuerstelle unnöthig ist. Neuer-
dings liefert die Fabrik Hohenzollern bei Düsseldorf Heiswasser-Lokomotiven,
bei welchen zur Ueberhitzung gewöhnliche stationäre Kessel mit etwa
6 Atmosphären Dampfspannung genügen. Ein Uebelstand des Systems besteht
darin, dass während der Fahrt die Temperatur des Wasserreservoirs, also auch
der Druck des von ihm gelieferten Dampfes und die Zugkraft abnimmt.
Günstiger arbeiten die pneumatischen oder Luft-Lokomotiven, welche
komprimirte Luft mitführen und während der Fahrt, gerade so wie sonst, Dampf
verbrauchen. Die atmosphärische Luft wird durch eine stationäre Dampf-
maschine bis zu 30 Atm. verdichtet und in Reservoirs auf der Lokomotive ge-
drückt. Mittelst eines Regulators kann hier trotz abnehmender Spannung im
Reservoir die Wirkung in den Zylindern gleichmässig erhalten werden. . Ange-
wendet beım Bau des Gotthard-Tunnels.
Sodann ist die Natron-Lokomotive von Honigmann zu erwähnen.!) Sie
besitzt ein Reservoir mit Natronlauge von starker Konzentration und ent-
sprechend hohem Siedepunkt, welche den Abdampf der Lokomotive absorbirt.
Die hierbei frei werdende Wärme dient zum Erzeugen neuen Dampfes in einem
Wasser- bezw. Dampfkessel, welcher über dem Laugen-Reservoir angebracht ist.
Dieser Kreislauf der Wärme während der Fahrt dauert so lange, bis die Lauge
durch fortgesetzte Aufnahme von Dampf stark verdünnt wird und ihre Tem-
peratur dem Siedepunkt nahe kommt. Zum Ersatz wird dann frische Lauge
von einer Eindampf-Station geliefert, aus welcher sie mittelst hydrostatischen
Drucks in das Reservoir der Lokomotive gelangt. Uebrigens kann während
der Fahrt jener Wasserkessel mit frischem Wasser gespeist werden, wodurch
der Druck des in ihm erzeugten Dampfes gleichförmig bleibt; derselbe beträgt
gewöhnlich etwa 5 Atmosphären. Das System ist auf der Strassenbahn von
Aachen nach Burtscheid, sowie auf der Eisenbahn Aachen-Jülich, auch in Leipzig
versucht worden.
Als eigenthümliches Betriebsmittel für Strassenbahnen ist ferner ein Draht-
seil ohne Ende anzuführen.?) Dasselbe liegt unter dem Gleis in einem
Kanal, welcher nach seiner ganzen Länge einen Schlitz in der Strassenfläche
besitzt. Das Seil wird durch eine stationäre Dampfmaschine in stetiger Be-
wegung erhalten, der Bahnwagen mittelst: eines durch den Schlitz gesteckten
Greifapparates an das Drahtseil befestigt und von demselben mitgenommen.
Auch spannt man wohl: einen besonderen Greifwagen vor gewöhnliche Bahn-
wagen, um nicht letztere sämmtlich mit dem Apparat ausstatten zu müssen,
Drahtseilbetrieb ist ausgeführt in S. Franzisko, Chicago, London, auf Steigungen
bis zu 0,2, eignet sich aber wegen der kostspieligen Anlage nur für grossen
Verkehr oder als eingeschaltete Strecke, um örtliche starke Steigungen zu über-
winden. Auch erscheint die Kollision mit unterirdischen Röhrenleitungen aller
Art, das Verstopfen des Schlitzes durch Schmutz oder Schnee und die Schwierig-
keit von Reparaturen bedenklich.
Endlich ist als Betriebskraft die Elektrizität eingeführt worden?) und
zwar auf dreierlei Art:
a) Die Elektrizität wird in einem Generator (primäre Dynamo-Maschine),
welcher gewöhnlich an einem Ende der Bahnstrecke steht, erzeugt und durch
die (thunlichst isolirten) Bahnschienen fortgeleitet, der eine Schienenstrang vom
positiven, der andere vom negativen Pol.*) Der Schluss des Stroms wird durch
den fahrenden Wagen hergestellt, an welchem zwei seiner Räder von allen
übrigen Eisentheilen isolirt sind und zwischen sich einen Rezeptor (sekundäre
Dynamo-Maschine) haben. Dieser letztere, gewöhnlich unter dem Wagenboden
angebracht, setzt die Elektrizität in mechanische Arbeit zum Drehen einer Rad-
1) Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1883, 729. 1884, 69, 533. 1885, 55, 101, 210, 833.
2), Beschreibungen von. ausgeführten Strassen-Seilbahnen finden sich in: Zeitschrift für
Bauwesen 1886, 227. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1887, No.9. Zeitschrift des öster-
reichischen Ing. und Arch.-Vereins 1887, 69. Schweizerische Bauzeitung 1889, I. 116.
3) Krämer, die elektrische Eisenbahn 1883. Elektrotechnische Zeitschrift 1887, 122. Hand-
buch der Ingenieurwissenschaften, IV. Band, Anhang: Die Elektrotechnik, S. 103. -
*) Bei einer elektrischen Bahn in Irland liegt eine leitende Schiene in der Gleisaxe
Schweizer. Bauzeitg. 1889, I. 57.