48 Entwurf von Bebauungsplänen.
der Abstand vor untergeordneten Fenstern, 5m nach BVI, als Minimum ange-
messen, weil derartige Fenster gern an die Nebenseite gelegt werden. Ge-
wöhnlich wird der Abstand halbirt, jedoch auch anderweitige Theilung zwischen
den beiden Nachbarn gestattet. In Stuttgart und Braunschweig ist ungleiche
Theilung vorgeschrieben, damit doch auf einer Seite des Hauses genügen-
der Raum zum Durchfahren bleibe. Im allgemeinen darf der Zwischenraum
nicht verbaut, in mehreren Städten aber auch ohne erheblichen Nachtheil inner-
halb gewisser Grenzen zum Zweck von Terrassen, Eingängen oder Unterfahrten
aufgehöht und überdacht werden. Auf Hintergebäude findet das System keine
Anwendung.
Vorzüge der offenen Bauweise sind: Luftwechsel zwischen Strasse und
Hinterräumen, reichliche Gelegenheit zu Fenstern, daher bessere Eintheilung
des Hausinnern, besonders für Eckzimmer, Gänge und Treppen, Möglichkeit zu
reizvollerer Architektur und hübscheres Gesammtbild der Strasse. Dagegen
fallen unter Umständen die Baukosten etwas höher aus, nicht sowohl durch Ver-
ringerung der baufähigen Fläche, welche vielmehr nur eine andere und bessere
Form erhält, als durch ein Mehrmaass von sichtbaren Umfassungswänden.
Hiernach dürfte sich die Rauweise mit gebotenen Zwischenräumen besonders
für Industrieviertel und Villenbezirke eignen, aber auch für mittlere und kleine
Wohnungen, sowohl bei Familienhäusern als bei Miethkasernen, zu empfehlen
sein. Die Befugniss, diese Bauweise für gewisse Strassen zu wählen und vor-
zuschreiben, ist für jede Gemeindeverwaltung in den Landesgesetzen von
Sachsen, Bayern, Württemberg, Hessen, Oesterreich vorgesehen, in Baden jüngst
ergänzend ausgesprochen. Preussen entbehrt eine betreffende gesetzliche Hand-
habe, und es ist höchst zweifelbaft, ob die Sache auf dem Wege des Ortstatuts
wohl zu erreichen wäre; nur in Wiesbaden, Erfurt und Köln ist es thatsächlich
geschehen.
Natürlich ist gleichartige, daher zwangsweise Behandlung einer
ganzen Strecke erforderlich, um die geschilderten Vorzüge zu sichern, und um
Einzelne vor Belästigungen zu sichern. In dem letztern, sowie in der Hebung
und Sicherung des Charakters einer Stadtgegend liegt auch eine gewisse Ent-
schädigung für den den Grundbesitzern auferlegten Zwang. Unter Umständen
wäre wohl zuzulassen, dass zwei Nachbaren nach Uebereinkunft zusammen
rücken um sog. Zwillingshäuser zu erbauen, falls sie dafür auf den entgegen-
gesetzten Seiten um so weitere Abstände lassen. So wird doch im Ganzen die
geforderte Summe der Unterbrechungen einer Häuserreihe und für die Einzelnen
der Vortheil besserer Grundriss-Eintheilung wenigstens annähernd wie bei
ganz frei stehenden Häusern erreicht, aber mit geringern Kosten. Dies System
wäre dann selbst für Mittelwohnungen und Arbeiterhäuser geeignet; doch sollte
man von dem Zwang der Symmetrie absehen, welcher hier und da auf Zwillings-
häuser gelegt ist. In bestimmten Stadttheilen von Erfurt z. B. dürfen
2 Wohnhäuser neben einander stehen, falls deren Gesammtlänge höchstens
32m, mit Abständen zur folgenden Gruppe von 10m. Zweckmässig erscheint
die Behandlung der Sache in Freiburg, woselbst in allen für offene Bauweise
bestimmten Strassen auch Zwillingshäuser bis zu einer Frontlänge von
3dm gestattet sind, und in einer Anzahl andrer Strassen noch längere ge-
schlossene Häusergruppen, jedoch unter Einhaltung des vorschriftsmässigen
Abstandes am Ende gegen weiter folgende Einzelhänser (sog. gemischte Bau-
weise). Auch in Linz und Salzburg sind bei dem offenen Bausystem Gebäude-
gruppen zulässig, deren Maximallänge auf bez. 50 und 45m festgesetzt ist. In
Villenbezirken von Dresden sind dagegen Zwillinghäuser ausdrücklich unter-
sagt, um die offene Bauweise vollständig durchzuführen. —
An der Strassenseite eines Hauses ist am einfachsten die Eigenthumsgrenze
zugleich Baulinie. Davon wird aber vielfach nach zwei Richtungen abgewichen,
indem entweder ein Stück des öffentlichen Grundes dem Privatmann zum Bauen
überlassen, oder umgekehrt der letztere zu Opfern an den allgemeinen Verkehr
gezwungen wird. Das Erste geschieht in den meisten Städten dadurch, dass
Sockel, Treppenstufen und dergl. bauliche Vorsprünge in verschiedenen Graden, mit-
unter bis zu 50em, auf den Gehweg vorspringen dürfen. In Amerika ist es
in solchen Strassen, welche keine Verkaufsläden haben, sogar gestattet, ganze