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Allgemeine Rechtsverhältnisse, 55
verlangt Erwerb des Strassenlandes Seitens der Gemeinde, sobald letztere ver-
langt, dass der Baulustige eine von ihr vorgeschriebene Baulinie einhalte, je-
doch ohne sofortige Herstellung der Strasse. Durch derartige Gesetze er-
wachsen den Gemeinden mindestens grosse Auslagen auf lange Zeit, sicher-
lich eine ungerechtfertigte Begünstigung der individuellen Willkür und Spe-
kulation.!)
Was künftige Plätze betrifft, so sollte hier der Verlust des Baurechts
nicht länger dauern, als bei den umliegenden Strassen, damit nicht unbebaute
Privat-Inseln auf unbestimmte Zeit verbleiben (Lützow-Platz in Berlin). Daher
besteht in Württemberg und Hessen die Pflicht der Gemeinde, die innere
Fläche eines Platzes gleich nach den umgebenden Strassentheilen zu erwerben.
Bei der weitern Frage, wann es zweckmässig sei, von Seiten der Gemeinde
eine neue Strasse zu eröffnen, ist es einerseits wünschenswerth, den Anbau
geschlossen vorzuschieben um den Aufwand für Unterhaltung, Beleuchtung,
Wasserversorgung, Sicherheitspolizei mässig zu halten, andererseits das Bauen
durch frühzeitige Anlage neuer Strassen zu erleichtern, wie dies ja bei Privat-
unternehmungen in der Regel geschieht, und zugleich wegen reichlicher Aus-
wahl von Bauplätzen die Bodenpreise niedriger hält. Betreffende Entschlüsse
werden daher insbesondre von dem Stand der Wohnungsfrage in einer Stadt
abhängen. Vor allem dürften die Hauptstrassen frühzeitig herzustellen sein, um
die Privatthätigkeit (CIV) auf Nebenstrassen zu lenken, und die Gemeinde von
letztern zu entlasten. In den meisten Städten ist bei dieser Frage freie Ent-
schliessung der Gemeindeverwaltung vorbehalten; zweckmässig würde aber jeden-
falls die Festsetzung eines Termins sein, in welchem die Gemeinde sich zum
Strassenbau verpflichtet, weil dann eine gewisse Sicherheit für die Grund-
besitzer entsteht, und auch die Gemeinde von Bitten verschont bleibt. Eine
solche Regel ist in Hessen, Strassburg, Erfurt aufgestelit, nämlich sobald die
Mehrheit der Anstösser (nach Frontlängen berechnet) zum Bauen bereit ist,
und die damit zusammen hängenden Pflichten (C III) übernimmt, dgl. in Dresden,
wo aber nur von einem Antrage der Mehrheit die Rede ist, um der Gemeinde
noch Freiheit des Entchlusses vorzubehalten. Andre Vorschläge gehen auf
1/,—2/3 der Frontlängen aus, was dann eben von örtlichen Verhältnissen ab-
hängt. Dass eine Strasse hergestellt wird, wenn die Bebauung sämmtlicher
anstossender Grundstücke gesichert ist, erscheint als äusserster Termin
(Württemberg, Mainz) und in geordneten Gemeindewesen eigentlich selbstver-
ständlich. In Mainz können übrigens schon die Grundbesitzer der einen
Strassenseite die Herstellung veranlassen, falls sie die Pflicht der Kostendeckung
vorschussweise auch für die gegenüber liegende Seite übernehmen (mit dem
Recht spätern Rückgriffs auf letztere).
Entsprechend den vorstehenden Gesichtspunkten sind von der Generalver-
sammlung des Verbandes deutscher Achitekten- und Ingenieur-Vereine 1874
folgende Thesen beschlossen worden:
1. Die Projektirung von Stadterweiterungen besteht wesentlich in der Fest-
stellung der Grundzüge aller Verkehrsmittel: Strassen, Pferdebahnen, Dampf-
bahnen, Kanäle, die systematisch und deshalb in einer beträchtlichen Ausdeh-
nung zu behandeln sind.
2. Das Strassennetz soll zunächst nur die Hauptlinien enthalten, wobei vor-
handene Wege thunlichst zu berücksichtigen, sowie solche Nebenlinien,. welche
durch lokale Umstände bestimmt vorgezeichnet sind. Die untergeordnete Thei-
lung ist jeweils nach dem Bedürfniss der nähern Zukunft vorzunehmen, oder
der Privatthätigkeit zu überlassen.
3. Die Gruppirung verschiedenartiger Stadttheile soll durch geeignete Wahl
der Situation und sonstiger charakteristischer Merkmale herbei geführt werden,
zwangsweise nur durch sanitarische Vorschriften über Gewerbe.
4. Die Eigenthumsverhältnisse, welche mit Festsetzung eines Stadter-
weiterungsplanes sich bilden, sowie die Verpflichtungen der Anstösser einerseits
1) In Baden ist gegenwärtig (1890) Seitens der Regierung eine Aenderung vorgeschlagen,
wonach die Gemeinde erst 10 oder 20 Jahre nach Feststellung des Plans verpflichtet sein soll,
künttiges Strassengelände zu kaufen — was aber möglicherweise zu noch grössern Opfern
führen wird, als das bisherige Verfahreu.
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