Full text: Das Problem der Generation in der Kunstgeschichte Europas

rischen Lebenslehre unmittelbar Zugängliches die Tatsache 
der gesetzmäßigen Gruppierung entscheidender Ge- 
burten, der entscheidenden Würfe der Natur. 
Sie aber ist nun nicht eine Angelegenheit der Perspektive, 
also des Betrachterstandpunktes. Sie ist eine Tatsache der 
Biologie, also des zu Betrachtenden, des geschichtlichen Le- 
bens selber. Es ist nicht nur so, daß die Natur sich rhyth- 
mische Atempausen zwischen der Erzeugung entscheidender 
Geister gönnt (sie sind wohl nie ganz restlos, aber von einer 
relativen Leere); es ist auch noch so, daß der Zeitpunkt der 
Geburt bestimmte Stimmungen, Grundgefühle, Probleme be- 
dingt. Der Einzelne ist unversetzbar und empfängt sein Le- 
bensproblem von Geburtswegen. Der Einzelne ist aber auch 
gar nicht so einzeln, als er selber glauben mag - wie sehr 
auch individueller Schicksalscharakter, Qualität, Intensität, 
Vitalität den Größten gerade vereinsamen mag. Nähenlage 
der Geburtszeit bedeutet auch (unbeschadet aller Qualitäts- 
unterschiede) Nähenlage der Probleme, der inneren Ziele. 
Und diejenigen, bei denen eine Versetzbarkeit dennoch denk- 
bar ist (die Natur ist kein Rechenexempel und überrascht 
uns mit Katastrophen, mit „Krankheiten‘“), sind eben da- 
durch immer tragische Naturen. Leibl war eine solche. Seine 
Qualen unter dem peinigenden Ideale Holbeins — die Ver- 
nichtung des Wildschützenbildes! — verstehen wir erst ganz, 
wenn wir zugleich verstehen, daß Leibl allerdings ein ab- 
normes Phänomen in seiner Generation war: wohl immer 
noch zugleich in sie passend durch ausgesprochen reinmale- 
rische Anlage (dem Altersgenossen C6zannes, Monets, Renoirs 
wohl anstehend und natürlich), aber von einem quälenden 
Durchdringungstriebe, einem verzweifelten Glauben an eine 
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