Full text: Briefe an Kugelmann

LIEBER FREUND, 
Ich wollte Ihnen ausführlicher schreiben, bin aber durch unvermutete 
auswärtige „Geschäfte“ daran verhindert. Lassen Sie sich dadurch aber 
nicht abhalten, bald wieder die Feder zu ergreifen. 
Der Brief Freunds (inliegend mit Dank zurück) hat mich sehr inter- 
essiert. Es ist Zeit, daß andre Leute in Deutschland aufkommen als die 
jetzigen „Träger“ der Wissenschaft. 
Hier folgt auch Dietzgens Porträt zurück. Seine Lebensgeschichte 
ist nicht ganz so wie ich mir sie dachte. Doch munkelte mir immer, 
daß er „kein Arbeiter wie Eccarius“ war. In der Tat gehört zu der Art 
philosophischer Anschauung, wie er sie sich selbst herausgearbeitet hat, 
eine gewisse Ruhe und Verfügung über Zeit, die der every day work- 
man” nicht genießt. Ich habe zwei sehr gute Arbeiter in New York 
sitzen, Schuster A. Vogt und Bergwerksingenieur Siegfried Meyer, beide 
früher in Berlin. Ein dritter Arbeiter, der Vorlesungen über mein Buch 
halten könnte, ist Lochner, Tischler (Common working man?), der sich 
seit about? 15 Jahren hier zu London befindet. 
Sagen Sie Ihrer lieben Frau, daß ich sie nie „in Verdacht“ hatte, 
unter Generalin Geck zu stehn. Meine Anfrage war nur ein Scherz. 
Übrigens können sich die Damen über die „Internationale“ nicht 
beklagen, da- dieselbe eine Dame, Madame Law, zum Mitglied des 
Generalrais ernannt hat. Scherz beiseite, zeigt sich sehr großer Fort- 
schritt in dem letzten Kongreß der American „Labour Union‘ darin 
u. a., daß er die weiblichen Arbeiter mit völliger Parität behandelt, 
während ein engherziger Geist in dieser Beziehung den Engländern, 
noch viel mehr aber den galanten Franzosen zur Last fällt. Jeder, der 
etwas von der Geschichte weiß, weiß auch, daß große gesellschaft- 
liche Umwälzungen ohne das weibliche Ferment unmöglich sind. 
Der gesellschaftliche Fortschritt läßt sich exakt messen an der gesell- 
schaftlichen Stellung des schönen Geschlechts (die Häßlichen ein- 
geschlossen). 
Was das „settlement‘“ betrifft, so konnte bei mir von vornherein nie 
die Rede von Übernahme eines Geschäfts sein, bevor mein Buch fertig 
ist. Sonst hätte ich mich lang aus jeder Peinlichkeit der Lage heraus- 
ziehen können. Die Sache ist einfach die — aber dies unter uns —, daß 
  
* Der Brief trägt den runden Kopfstempel: International Workingmens 
Association. Central Couneil, London (Internationale Arbeiterassoziation 
Generalrat, London). 
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30) London, 12. Dezember 1868 + 
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