Von der analytischen oder hohem Geometrie, in welche wir den
gehörig vorbereiteten Anfänger, der für mathematische und philo
sophische Speculationen Sinn und Anlage hat, hiemit einführen wollen,
können wir unbedenklich behaupten, dass sie eins der schönsten Theile
der Mathematik und sowohl in practischer Hinsicht wichtig, als auch
in rein wissenschaftlicher und geschichtlicher Hinsicht höchst in
teressant und merkwürdig ist.
Wichtig ist sie, auch abgesehen von ihrem praclischen ¡Nutzen,
schon deshalb, weil man es nicht unternehmen darf, ohne ihre Kennt-
niss, irgend ein bedeutendes Werk über höhere Theile der angewandten
Mathematik, Astronomie, Mechanik und Naturwissenschaft in die Hand
zu nehmen.
In wissenschaftlicher Hinsicht ist sie aber schon deshalb interessant
und merkwürdig, weil sie uns zeigt, wie durch einen einzigen glück
lichen Einfall, durch einen höchst einfachen und nahe liegenden Gedan
ken, eine beinah für geschlossen gehaltene Wissenschaft, die Geometrie,
nach einem fast zweitausendjährigem Stillstände, auf einmal eine Er
weiterung ohne Grenzen nimmt und eben dadurch eipe Ahnung von
der Fülle der Kenntnisse giebt, welche in dieser Richtung, durch mehre
solche glückliche Gedanken, dereinst zu erlangen, die Menschen sich
schmeicheln dürfen; eine Ahnung von der stets wachsenden Kraft des
Geistes giebt, die uns fast noch bei Lebzeiten aus einer Sinnen weit
in eine rein geistige Begriffswelt hebt, die keiner Sinne mehr bedarf.
In der Geschichte der Wissenschaften sehen wir die höhere Geo
metrie, aus dem unermesslichen Reiche der Gedanken, gleich einer
neuen ungeahnelen Sonne über den Horizont der Euklidischen Geo
metrie emporsteigen und ein unabsehbares aber den Menschen zu
gängliches neues Feld der Erkenntnisse beleuchten, dessen Dasein und
Möglichkeit sich die kühnste Phantasie nicht geträumt halle.
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