7
v
zu
Mittheilungen über die technische Erziehung in Nord- Amerika.
Von Dr. H, Wedding, Geh. Bergrath in Berlin.
Der bekannte Ingenieur A. L. Holley zu New-York hielt als Präsident der Gesell-
schaft der Bergingenieure zu Washington am 22. Februar 1876 eine Inauguralrede über die
„ungleiche Vereinigung der Ingenieur-Wissenschaft und Ingenieur-Kunst“,
d. h. die seiner Ansicht nach falsche Vertheilung des Unterrichts in Wissenschaft und
Praxis bei der Erziehung zu technischen Fächern. Er führte aus, dafs in Amerika ein fühl-
barer Mangel in der praktischen Ausbildung bestände und dafs es nothwendig sei,
diese Lücke zu ergänzen, gab auch einige Winke, in welcher Weise sich diese Lücke aus-
füllen lasse.
Er forderte zuerst, dals, nachdem die allgemeine Bildung erlangt, der technischen
Schulbildung eine praktische Lehrzeit vorausgehe, welche mit den Gegenständen und
Arbeiten der Praxis bekannt mache und in dem Betheiligten den Wunsch errege, die wissen-
schaftliche Begründung von dem, was er ausgeführt habe, zu erfahren. Zweitens verlangte
Holley, dafs auf den Werken selbst ein regelrechter Unterricht unter der Leitung eines beson-
ders dazu angestellten Lehrers organisirt werde.
Die gegebene Anregung fand fruchtbaren Boden. Es wurden ausgedehnte Diskussionen
theils in direktem Anschlufs, theils in einer besonderen Sitzungsperiode der vereinigten Gesell-
schaften der Berg- und der Zivil-Ingenieure während der Ausstellung zu Philadelphia (am
19. und 20. Juni 1876) gepflogen, an deren letzteren der Verfasser Gelegenheit hatte sich
auf Einladung der genannten Gesellschaften zu betheiligen.
Selbstverständlich gingen die Ansichten weit auseinander. Alle jene in Europa längst
versuchten, oft wieder verworfenen und von neuem geprüften Methoden kamen zum Vor-
schlage und auch in Amerika wird man nicht anders können, als durch Versuche festzustellen,
was sich unter den dortigen Verhältnissen am meisten bewährt.
Im allgemeinen steht der Ausbildung auf Hochschulen jeder Art in Amerik:e
überall die Ungleichförmigkeit der Elementar- und höheren Schulbildung entgegen.”) Noch
ist bekanntlich der Schulzwang nur in einigen Staaten eingeführt, in den meisten der Besuch
der Schule der Willkür der Eltern überlassen, welche im grofsen Durchschnitte viel mehr
*) Vergleiche: 'T’he International Conference of Education, und: Report of the Commissioner of Education
for the Year 1376.