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dem Zeugnisse wäre ganz wohl zu vereinbaren, daß die Mil-
teilung des Tribunalbeschlusses dcu Charakter einer ein-
sachen und verhältnismäßig harmlosen Privatunterredung
getragen habe. Daß ein Widerspruch vorliegt, kann nicht
bestritten werden, und es ist nur die Frage, ob dieser Dis
krepanz der Aussagen zweier Personen, deren Anwesenheit
bei dem in Rede stehenden Ereignisse als sicher angenommen
werden kann, eine tiefere Bedeutung beizumessen ist, oder ob
sich dafür auch eine minder bedenkliche Erklärung finden läßt.
Als Galilei im Jahre 1632 wirklich vor jenem Tribu
nale stand, dessen Arm ihn 1616 noch nicht erfaßt hatte, stand
aus Gründen, auf welche wir bald zu fprechen kommen werden,
feine Verurteilung von vornherein fest, und es kam lediglich
darauf an, für dieselbe auch einen formell befriedigenden
Rechtslitel auszumitteln. Konnte man also nachweisen, daß
Galilei schon früher strenge verwarnt worden war, so harre
man ein Mittel zur Hand, welches gänzlich fehlte, wenn nichts
weiter als das, was Bellarmin in seiner Bescheinigung an
gibt, sich vollzogen hatte. Es liegt also, und Wohlwill har
alle Verdachtgründe sorgfältig zusammengebracht und beleuchtet,
der schreckliche Gedanke, daß nran an dem Protokolle von
1616 jene Änderungen angebracht hätte, welche es zu einer
furchtbaren Angriffswaffe gegen einen Wehrlosen nmstcmpelren,
nicht so fern, daß er nicht einenr jeden sich aufdrängen müßte,
der die Ereignisse von 1616 und von 1632 zu einander in
Parallele stellt. Von einem Nachweise, daß die Fälschungs-
hypothcse irgendwie als widerlegt gelten könne, ist ganz und
gar nicht die Rede.
Dagegen wird sich ebensowenig leugnen lassen, daß eiire
andere Auffassung des Sachverhaltes sehr wohl möglich ist,
und wenn wir persönlich uns zu dieser hingezogen fühlen, so
geschieht dies, weil, wie wir eiuzugestehen keinen Anstand
nehmen, es uns aufs äußerste widerstrebt, irgend einem Men
schen, und stehe er auch im Dienste eines Jnquisitionstribn-