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Von den wirklichen Bewegungen der Himmelskörper.
wurde man mehr mit dem Ocean und den auf ilnn herrschenden Luftströmungen
bekannt. Man fand, daß sowohl im Atlantischen als auch im Großen und
zum Theil im Indischen Ocean regelmäßige, beständige Winde sich finden, die
gegenwärtig von den Schiffern mit Vortheil benutzt werden. Jene Winde herr
schen ungefähr zwischen den beiden Wendekreisen, und zwar auf der nörd
lichen Halbkugel ein beständiger Nordost-, auf der südlichen ein beständi
ger Südost- Wind. Die Entstehung dieser Winde mußte mit der Rotation
der Erde erfolgen, wie wir in dem Folgenden kurz sehen wollen.
Die Erde ist ringsum mit Luft umgeben. Diese zeigt, wie alle Flüssig
keiten, stets das Bestreben, das in ihr durch Temperaturunterschiede gestörte
Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Wärme dehnt alle Körper aus und
macht sie dadurch spocifisch leichter; deshalb steigt die erwärmte Luft in die
Höhe, während die kältere Luft sich nach unten senkt. Sehr einfach kann
man sich von dieser Thatsache überzeugen, wenn man zwischen zwei Zimmern
von ungleicher Temperatur eine Thür öffnet. Nimmt man nun ein Licht und
hält dasselbe nahe dem Boden, so findet man stets, daß die Flamme eine
schiefe Lage annimmt, und zwar so, daß sie sich nach dem warmen Zimmer
hinwondet. Führt man dagegen das Licht in die Höhe, so nimmt die Flamme all
mählich eine entgegengesetzte Richtung an, indem sie sich nach dem kalten
Zimmer hinwendet. Nach der Mitte der Thür zu behält die Flamme, ruhig bren
nend, ihre aufrechte Stellung bei. Dieser einfache Versuch zeigt zwischen den
beiden ungleich erwärmten Zimmern deutlich das Vorhandensein eines zwei
fachen Luftstromcs, eines unteren, kalten, und eines oberen, warmen,
welche beide in der Richtung einander entgegengesetzt sind. Was sich hier
im kleinen zeigt, findet bei der Erde im großen. Maßstabe statt.
Die Wärme ist auf der Erde nicht gleichmäßig vertheilt; sie ist im all
gemeinen am größten in den Aoquatorialgegenden und nimmt von hier nach
den beiden Polen zu allmählich ab. Die größere Erwärmung der Luft in der
Nähe des Aequators macht die letztere leichter und veranlaßt so einen auf
steigenden Luftstrom oder courant ascendant, wie wir dergleichen über einer
Lichtflamme, einem Kohlenbecken, oder im Sommer über erhitzten Sandflächen
an dem eigenthümlichen Zittern der Luft häufig wahrnehmen können.
Durch das lebhafte Aufsteigen der Luft in den Aequatorialgegendon wird
aber das Gleichgewicht der Luft gestört, und diese strebt sogleich darnach, es
wieder herzustellen, was dadurch geschieht, daß die kältere Polarluft nahe der
Erdoberfläche zum Aequator strömt. Es müssen also durch diese kältere Polar
luft zwei kalte Luftströme entstehen, die nach dem Aequator gerichtet sind.
Nachdem die Heftigkeit des aufsteigenden Stromes durch Abkühlung in
der Höhe nachgelassen, fließt die aufgestiegene Luft zum Theil nach N. und
zum Theil nach S. ab, um die hier durch Abfließen der kälteren Luft zum
Aequator entstandene Lücke auszufüllen. Auf diese Weise entstehen zwei
obere, warme Luftströme, die nach den Polen gerichtet, also den genannten
kalten Strömen entgegengesetzt sein müssen.