Erklärung der Erscheinungen aus der Rotation der Erde im allgemeinen. H7
Da aber nicht nur der Meridian, sondern mit ihm auch der ganze Horizont
von W. nach 0. fortschreitet und beständig andere Lagen inmitten der Him
melskugel annimmt, so müssen am östlichen Himmel beständig neue Sterne
erscheinen oder aufgehen, während am westlichen Himmel bisher gesehene
Sterne scheinbar unter den Horizont sinken oder untergeben. Man würde aber
sehr irren, wenn man meinte, daß jeder Stern, der 4 Min. später durch den
Meridian geht als ein anderer, auch 4 Min. später auf- oder untergehe als
dieser; dies ist nur auf dem Erdäquator der Fall, oder wenn die Sterne im
Aequator des Himmels stehen. Es ist hierbei die Lage des Horizontes zu den
Deklinationskreisen des Himmels und die eigenthümliche Bewegung des ersteren
in verschiedenen Breiten in betracht zu ziehen. Man denke an das S. 110 bis
112 über den Gegenstand Gesagte.
8 . Die Bewegung der Sonne. Nach dem Vorstehenden wird es über
flüssig sein noch nachzuweisen, wie auch die Sonne wegen der Rotation der
Erde täglich von 0. nach W. einen Tagkreis zu durchlaufen scheinen muß.
Allein die Zeit der Rotation der Erde ist nicht auch die Dauer eines wahren
Sonnentages (S. 31); dies würde nur dann der Fall sein, wenn die Sonne stets
dieselbe Stellung zu den Fixsternen beibehielte, was jedoch, wie wir bereits
wissen, nicht der Fall ist. Wir haben an ihr eine tägliche, von 0. nach W.,
und eine jährliche, von W. nach 0. gerichtete Bewegung kennen gelernt.
Aus der Rotation der Erde ist nur die tägliche, nicht aber auch
die jährliche Bewegung der Sonne erklärbar. Wir werden deshalb
nach der wahren Ursache dieser letzteren Bewegung noch zu forschen haben.
Entstehung der Tageszeiten. Die Erde ist ein Planet, d. i. ein von
Natur dunkler Körper, der sein Licht von der Sonne empfängt. Die Sonne
erleuchtet stets die ihr zugewandte Hälfte der Erde. Da, wo Licht und Schatten
sich berühren, kann man sich einen Kreis denken, den wir die Lichtgrenze
nennen wollen. Wäre die Erde nicht mit einer Atmosphäre umgeben, so würde
diese Lichtgrenze einmal nahezu ein größter Kreis der Erde, außerdem aber
scharf begrenzt sein, so daß Licht und Schatten scharf von einander geschieden
wären, wie wir es z. B. bei dem Monde wahrnehmen. Dies ist indessen bei
der Erde wegen der Atmosphäre nicht der Fall. Wir haben diese bereits als
die Ursache der astronomischen Refraction (S. 68 ) und deren Größe am Hori
zonte = 33' kennen gelernt. Hierdurch wird der erleuchtete Tlieil rings herum
um mehr als '¡ 2 ° vergrößert, so daß 0,50436 der ganzen Erdoberfläche Sonnen
schein haben. Außerdem ist die Atmosphäre die Veranlassung der Dämmerung
(S. 25ff.). Sie pflanzt das Sonnenlicht durch Reflexion noch 18° weit in die
dunkle Seite der Erde liinein fort, so daß der direkt beleuchtete Theil der Erde
von der 18° breiten Dä tnmerungszone umgeben ist. Für ein Auge auf einem
fernen Standpunkte muß daher die Lichtseite der Erde in die Schattenseite hinein
verwaschen erscheinen, wie dies bei allen mit Atmosphären umgebenen Himmels
körpern der Fall ist. Da die Dämmerungszone 0,154508 der Erdoberfläche ein
nimmt, so haben nur 0,345492 oder etwa 100 ,289 der Erdoberfläche wirkliche Nacht.