Full text: Allgemeine Himmelskunde

Erklärung der Erscheinungen aus der Rotation der Erde im allgemeinen. 119 
unter andern an dem beständigen Auf- und Untergange anderer Sterne. Ver 
gleicht man nur zwei Lagen des Horizontes, die am Mittage mit der um Mitter 
nacht eines Tages mit einander, so wird man erkennen, daß z. B. die Ostseite 
des Horizontes am Mittage nach einer Gegend des Himmels gerichtet ist, wohin 
um Mitternacht die Westseite gekehrt war, und umgekehrt. Es sind also die 
Himmelsgegenden zwar bestimmte Richtungen im Horizonte, nicht aber im 
Weltenraume. Hier kann von 0., W., S., N. nicht geredet werden. 
Zur Veranschaulichung des Gesagten ist ein Globus geeigneter als eine 
Zeichnung. Man kann den Horizont durch eine kleine Pappscheibe, auf der die 
4 Haupthiminelsgogenden verzeichnet sind, darstellen und vermittelst einer Nadel 
auf dem Globus befestigen. Bei Drehung des Globus wird man die stets ver 
änderte Lago der Himmelsgegenden im Raume leicht verfolgen können. 
Zeitunterschied. Wie irgend ein bestimmter Fixstern, so muß auch die 
Sonne für alle östlich von uns liegenden Oerter früher culminiren als für uns, 
und zwar nach Maßgabe ihrer ost-westlichen Entfernung von uns, so daß also 
füi* Oerter, die nicht auf demselben Meridian liegen, nicht nur ein Unterschied 
in Sternzeit, sondern auch in wahrer Sonnonzcit stattfindet. Wie bei den 
Fixsternen, bedingt auch bei der Sonne eine ost-westliche Entfernung von 1° 
einen Zeitunterschied von etwa 4 Min. Sonnenzeit. Die bei Weltumsegelungen 
gemachte Erfahrung, daß bei der Rückkunft zu dem Orte der Abfahrt der auf 
dem Schiffe richtig geführte Kalender um einen ganzen Tag von dem an jenem 
Orte abweicht, kann somit nicht befremden. 
Ferdinand Magclliacn fuhr am 20. September 1519 von San Lucar 
ab, und sein Schiff kam am 7. September 1522 an den Ort der Abfahrt zurück. 
Auf dem Schiffe schrieb man erst den 6 . September, war also hier einen ganzen 
Tag zurück. Ferdinand Magelhaen war nämlich nach W. gereiset. Mit 
jedem Grade, den er weiter nach W. kam, mußte sich ein Zeitunterschied von 
4 Min. einstellen, und zwar mußte man auf dem Schiffe um diese Zeit gegen 
die Zeit des Abfahrtsortes Zurückbleiben. Bei einer ganzen Umsegelung der 
Erde mußte dieser Zeitunterschied 3G0 X 4 Min. = 24 Std. oder 1 Tag betragen. 
Diesen ganzen Tag hatte man auf dem Schiffe aber nicht etwa verloren. Indem 
man nämlich nach W. fuhr, in einer Richtung, die der der Rotation der Erde 
entgegengesetzt ist, verzögerte man mit jedem Tage den Aufgang der Sonne 
nach Maßgabe der westlichen Entfernung, und verlängerte somit den natür 
lichen Tag; hätte man täglich 1° nach W. hin zurückgelegt, so wäre jeder 
Tag um 4 Min. verlängert worden. Wenn man also auch mit jedem neuen 
Sonnenaufgänge im Kalender einen Tag anschrieb, so mußte doch bei der 
Rückkunft ein Tag gegen die Zeit des Abfahrtsortes fehlen. Diesen Tag hatte 
man mit verlebt, ihn aber gleichsam als Zugabe auf die einzelnen Tage der 
Reise vertlieilt. 
Die entgegengesetzte Erfahrung muß sich natürlich bei Weltumsegelungen 
herausstellen, die von W. nach 0. hin unternommen werden. Indem man nach 
0., also gleichsam der Sonne entgegenfährt, verfrüht man den Sonnenaufgang
	        
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