156 Von den wirklichen Bewegungen der Himmelskörper.
wollen, getroffen. Von diesem Punkte aus nimmt der Winkel, unter dem die
Sonnenstrahlen die Erdoberfläche treffen, von 90° bis zu 0° ab. — Die Be-
leuchtungsgrenze ist von dem senkrecht beschienenen Punkte überall 90° ent
fernt; wegen der Rotation der Erde ist aber dieser Punkt fortwährend ein
anderer, sowie beständig andre Punkte die Beleuchtungsgrenze passiren.
A. Annahme einer senkrechten Achsenstellung der Erde und Folgen
derselben.
Die wirklich bestehenden Verhältnisse werden besser zum Verständnis
kommen, wenn wir die Erdachse zuvor in verschiedenen Lagen zur Erdbahn
uns vorstellen und uns die dadurch bedingten Folgen vergegenwärtigen.
Nehmen wir darum zunächst an, die Erdachse stehe senkrecht auf der
Ebene ihrer Bahn.
Offenbar fiele nun, wie aus der
nebenstehenden Fig. 49 erkannt
werden kann, die Ebene des Erd
äquators mit der der Bahn zusammen.
Da aber die Lage des Erdäquators
die Lage des Himmelsäquators be
stimmt, so müßte auch dieser letz
tere mit der auf den Himmel proji-
cirten Erdbahn, d. h. mit der Ekliptik
zusammenfallen; es gäbe also
keine Schiefe der Ekliptik.
Ferner würde die Erde und Sonne verbindende Centrale beständig einen
Punkt des Erdäquators treffen, und darum jeder Aequatorbewohner die Sonne
täglich an seinem Mittage im Zenitlie haben, so daß er das ganze Jahr hin
durch zu Mittag unschattig wäre.
Die Lichtgrenze würde beständig durch die Pole gehen, und darum alle
Parallelkreise der Erde halbiren. Es müßte deshalb wegen der gleichmäßigen
Rotation der Erde jeder Ort 12 Stdn. in der Licht- und ebenso lange in der
Schattenseite verweilen oder Tag und Nacht beständig einander gleich
sein. Während die Aequatorbew r ohner die Sonne täglich in ihrem Zenithe
sähen, müßten die Polbewohner sie beständig im Horizonte und sie diesen um
kreisen sehen.
Von einem Wechsel der Jahreszeiten könnte bei so bewandten Umständen
nicht die Rede sein: es wäre beständiger Frühling oder Herbst, und
die Temperatur wäre durch das ganze Jahr hindurch für die einzelnen Oerter
ziemlich gleichmäßig.
Diese aus der senkrechten Achsenstellung der Erde sich nothwendig er
gebenden Folgen stimmen durchaus nicht mit dem, was wir bisher über den
Lauf der Sonne gelernt haben; es kann daher die Erdachse nicht senk-