Von der Zeitrechnung und dem Kalender.
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denke Folgendes: die Subtraction der Zahl 11 ist gleichbedeutend mit einer Addition
der Zahl 19 und einer darauf folgenden Subtraction der Zahl 30. Anstatt also ab
wechselnd 11 zu subtrahiren und 19 zu addiren, kann man unausgesetzt 19 addiren
und dann 30 so oft als möglich subtrahiren oder, was dasselbe ist, nach jener fort
gesetzten Addition von 19 die erhaltene Zahl durch 30 dividiren.
Beispiel. Für dieses Jahrhundert gilt die Zahl 23. Im Jahre 1868 sind
1868
r — = 98 Mondencirkel verflossen, Rest 6. Dieser Rest zeigt an, daß mit dem
Jahre 1868 bereits 6 Jahre des 99. Cirkels abgelaufen sind; es ist also das 7. Jahr
dieses Cirkels und hat die güldene Zahl 7. Nach dem Obigen muß man also
137
6 X 19 = 114 der bestimmenden Zahl 23 hinzufügen, giebt 137. Nun ist aber — = 4,
Rest 17. Die das Datum des Ostervollmondes bestimmende Zahl heißt also 17, diese
zum 21. März gezählt, giebt den 7. April als das gesuchte Datum. Der 7. April fiel
auf einen Dienstag, am nächsten Sonntag den 12. April war also Ostern.
5. Die Einführung des neuen Kalenders. Der in angegebener
Weise durch Gregor verbesserte Kalender wird gewöhnlich der Gregoria
nische oder der Kalender des »neuen Styls« genannt. Nach Erlaß der
päpstlichen Bulle im Jahre 1582 wurde derselbe in Italien, Spanien und Por
tugal sogleich, in Frankreich nach 2 Monaten, in dem katholischen Theile der
Schweiz und der Niederlande 1583, in Polen 1586, in Ungarn 1587 angenommen.
Allein es währete lange Zeit, ehe derselbe allgemein Eingang fand. Nament
lich widersetzten sich die Protestanten in Deutschland und andern Ländern,
weil die Verbesserung vom Papste ausgegangen war, lange der Einführung des
Kalenders. Wegen der vielen Inconvenienzen aber, die sich durch den Gebrauch
zweier verschiedenen Kalender in demselben Lande in unangenehmer Weise
fühlbar machten, wurde endlich im Jahre 1699 von den evangelischen Ständen
der neue Kalender, so weit er die Berichtigung des Datums und die Schalt -
jahrsordnung betraf, angenommen, und nach dem 18. Februar 1700 sogleich
den 1. März zu schreiben angeordnet. Differenzen blieben aber noch hinsicht
lich der Feier des Osterfestes bestehen. Wie wir gesehen haben, begnügten
sich die Katholiken mit einer annäherungsweise richtigen, cyklisehen Be
rechnung des ersten Frühlings-Vollmondes, die aber den Vortheil hatte, mit
Leichtigkeit für mehrere Jahrhunderte, ja Jahrtausende vollzogen werden zu
können. Die Protestanten aber wollten eine scharfe astronomische Berech
nung des Ostervollmondes eingeführt wissen; es sollte nämlich jährlich genau
der Augenblick des Vollmondes bestimmt werden, der dem Momente des
Duchganges des Sonnenmittelpunktes durch den Frühlingspunkt zunächst nach
folgt. Diese Berechnung kann allerdings gemacht werden; aber es ist sela-
schwierig, dieselbe für Jahrhunderte im voraus auszuführen. Die Protestanten
glaubten, durch die von dem berühmten Kepler mit Unterstützung des Kaisers
Rudolf II. herausgogebenen Rudolfinisehen Tafeln, welche sich auf die
genauen Beobachtungen des dänischen Astronomen Tycho de Brahe gründeten,
ihren Zweck erreichen zu können, und bestimmten aus Verehrung für diesen