Full text: Allgemeine Himmelskunde

246 Von den wirklichen Bewegungen der Himmelskörper. 
Bei der nun erfolgenden scheinbaren Annäherung an die Sonne nimmt der sicht 
bare Theil die Sichelgestalt (nach rechts ausgebogen) an, die um so schmaler 
wird, je näher der Planet der Sonne rückt; überhaupt ist der sichtbare erleuch 
tete Theil stets der Sonne zugewandt, wie es sein muß, wenn der Planet sein 
Licht von der Sonne empfängt. Mit der Annäherung an die Sonne nimmt aber 
der scheinbare Durchmesser der Venus beständig an Größe zu, und er kann 
bis auf 66 " anwachsen. Diese Größe erreicht er indessen nur ganz in der 
Nähe der Sonne, wo der Stern einmal wegen dieser Nähe der Sonne, anderer 
seits aber aus dem Grunde unsichtbar wird, weil er der Erde die dunkle Seite 
zuwendet, wie der Mond im Neumonde. Zu manchen Zeiten, wenn auch selten, 
sieht man ihn dann als kleine, dunkle Scheibe sich von 0. nach W. vor der 
Sonne vorüber bewegen, und man nennt ein solches Ereignis einen Durch 
gang der Venus durch die Sonne. Sie muß uns zu dieser Zeit näher 
als die Sonne stehen, und man sagt von ihr, sie stehe in der unteren Con 
junction (untere d) mit der Sonne. Wenn sie nach dieser Stellung als 
Morgenstern sichtbar wird, erscheint sie zuerst wieder als schmale Sichel, 
nach links ausgebogen; aber während diese Sichel mit der' Entfernung von 
der Sonne an Breite wächst, nimmt der scheinbare Durchmesser der Venus au 
Größe ab; sie muß sich deshalb von der Erde entfernen. Zur Zeit der größten 
westlichen Ausweichung erscheint sie etwa zur Hälfte erleuchtet, wie der Mond 
im letzten Viertel. Indem sie sich nun wieder der Sonne nähert, wächst sie 
bei stets sich vermindernder scheinbaren Größe allmählich zur ganzen Scheibe 
an; als solche kann sie indessen wegen der Nähe der Sonne nicht gesehen 
werden. Wenn sie mit der Sonne in gleicher Richtung steht, sie also mit 
dieser gleiche Länge hat, so sagt man von ihr, sie stehe in der oberen Con 
junction mit der Sonne. Da sie uns zur Zeit derselben unter dem kleinsten 
Winkel von kaum 10" erscheint, so muß sie uns in dieser Stellung am fernsten 
stehen. 
Einige Zeit nach der oberen Conjunction sieht man die Venus wieder als 
Abendstern sich bis zur größten östlichen Ausweichung von der Sonne entfernen, 
aber dabei die ganze Scheibe bis zur Hälfte ab-, den scheinbaren Durchmesser 
aber stetig zu nehmen, um nun den Verlauf der Erscheinungen in der ange 
gebenen Weise zu wiederholen. 
Die Venus zeigt also Phasen wie der Mond; doch sind bei der Zunahme 
der Lichtgestalt, abweichend vom Monde, die Sicheln nach links, bei der Ab 
nahme derselben nach rechts gerichtet. 
Diese Erscheinungen mußten den Alten verborgen bleiben, da sie sich nicht 
im Besitze von Fernrohren befanden. Allein die eigenthümliche Bewegung der 
Venus, wie wir sie jetzt besprechen wollen, konnte ihnen nicht entgehen. 
Wenn die Venus kurz nach der oberen Conjunction als Abendstern sicht 
bar wird, sieht man sie mit großer Geschwindigkeit sich rechtläufig oder in 
der Reihenfolge der Zeichen bewegen. Je weiter sie sich aber von der Sonne 
nach 0. entfernt, desto langsamer wird ihre Bewegung, und wenn sie einen
	        
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