Von den Planeten. — Das Ptolemäische System. 255
Wenn man aber die Zahlen für das Verhältnis der scheinbaren Durch
messer, 1:1,141, mit sich selbst multiplicirt oder sie ins Quadrat erhebt, so
erhält man ein dem Geschwindigkeits-Verhältnis des Mondes gleiches Verhältnis.
» Es ist also das Verhältnis der kleinsten und größten Geschwindigkeit dem
Quadrate des Verhältnisses der entsprechenden scheinbaren Durchmesser gleich,
und dies ist eine Wahrheit, aus der sich leicht das wirklich bestehende Sacli-
verhältnis hätte ableiten lassen. Es sollte indessen noch lange währen, ehe
man zu dieser richtigen Ansicht gelangte.
6 . Erklärung der zweiten Ungleichheit. Die zweite Ungleichheit
der Planeten besteht, wie schon erwähnt, darin, daß die Planeten, wenn sie in
eine gewisse Stellung zur Sonne gekommen sind, mit Ausnahme des Mondes
und der Sonne, stationär werden und darauf einen Wechsel in der Richtung
ihrer Bewegung zeigen. Der Umstand, daß stets dieselben Verhältnisse mit der
gleichen Stellung der Planeten zur Sonne wiederkehrton, hätte auf die Ab
hängigkeit der Planetenbewegung von der Sonne hinweisen können; allein die
Ansicht von der ruhenden Erde im Miteipunkte der Welt war zu fest gewurzelt,
als daß ein Zweifel an der Richtigkeit des Systems hätte aufkommen können.
Ptolemäus und nach ihm andere Astronomen halfen sich auf eine andere,
ziemlich scharfsinnige Art. Ersterer nahm nämlich an, daß diejenigen Planeten,
welche einen Stillstand, ein Vor- und Rückwärtsgehen zeigten, nicht unmittel
bar in dem ihnen im Systeme angewiesenen Kreise fortsehritten, sondern daß
diese Kreise nur der Weg für den Mittelpunkt eines andern Kreises seien, in
welchem der Planet sich wirklich mit gleichmäßiger Geschwindigkeit in der
Zeitdauer des beobachteten Wechsels der Erscheinung bewege. Man nannte
jenen Kreis für den Mittelpunkt den deferirenden Kreis, den kleineren, von
dem Planeten wirklich durchlaufenen Kreis aber den Epicykel.
Mit Hilfe solcher Epicykel läßt
sich die zweite Ungleichheit, we
nigstens im allgemeinen, ziemlich
gut erklären, wie wir an Fig. 77
näher nachweisen wollen.
Es sei Punkt E die Erde; um
sie bewege sich ein Planet in
Epicykeln, deren Mittelpunkt auf
dem deferirenden Kreise C C‘ C“ C“‘
mit gleichmäßiger Geschwindigkeit
von W. nach 0. fortschreitet.
Ist der Mittelpunkt des Epi-
cykels in C und der Planet in p,
so bewegt er sich, von der Erde
aus betrachtet, nach derselben
Richtung mit dem Mittelpunkte;
seine beobachtete Fortschreitung