Die Sonne.
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1. Scheinbare Größe. Was die scheinbare Größe der Sonne betrifft,
so ist dieselbe wegen der Veränderlichkeit der Entfernung von der Erde eine
verschiedene. In der mittleren Entfernung von 20682000 geogr. Min. beträgt
der scheinbare Durchmesser 32' 1",8; er ist also nur 54",8 größer als der des
Mondes in seiner mittleren Entfernung von uns. Am 1. Januar, wenn wil
der Sonne am nächsten sind, erscheint sie unter dem größten Winkel von
32' 34",6, am 2. Juli hingegen, zur Zeit der Sonnenferne, unter dem klein
sten Winkel von 31' 30",1. Von dieser Größe des Aequatorial-Durchmessers
scheint die Achse nicht verschieden zu sein, so daß eine Abplattung der Sonne
an ihren Polen nicht zu bestehen scheint, und die Sonne demnach als eine voll
kommene Kugel anzusehen wäre. Nach einigen Deobachtungen jedoch soll sich,
abweichend von den gewöhnlichen Verhältnissen, der polare Durchmesser sogar
größer erwiesen haben als der Aequatorial-Durchmesser, und zwar um 3",14,
ja sogar 4",72, was eine Aequatorial-Abplattung von ungefähr 1 / 28 o voraus
setzen würde, so daß also die Gestalt der Sonne an die einer Citrone erinnerte.
Allein es ist noch nicht entschieden, ob die Sache auf einer Täuschung
beruht, oder ob sie eine wirkliche Thatsache ist; die Zukunft muß hierüber
noch erst das rechte Licht verbreiten. Außerdem möge hier nicht unerwähnt
bleiben, daß die Vergleichung der seit etwa 100 Jahren angestellten Sonnen
beobachtungen eine Verkleinerung des Sonnendurchmessers ergeben haben soll,
und nach v. Lindenau soll dieselbe in 33 Jahren 1",89 betragen, welche That
sache, falls sie begründet wäre, zu eigentliümlichen Schlüssen Veranlassung
geben müßte. Vermindert sich vielleicht das Volumen der Sonne infolge vor
sich gehender Abkühlung? Es müßte im Laufe der Zeit einen merklichen
Einfluß auf die Wärme- und Licht Verhältnisse und dadurch auf die Gestaltung
des Lebens auf der Erde haben. Immerhin aber ist eine Verkleinerung der
Sonnenkugel möglich, und sie könnte sogar ganz beträchtlich werden, ehe
sie von uns mit Sicherheit wahrgenommen werden könnte. Ein Winkel von
einer Sekunde ist ein gar kleiner, und selbst tüchtige Beobachter sind bei
ihren Beobachtungen zuweilen um diesen Winkel in Ungewißheit. Wenn der
wahre Durchmesser der Sonne täglich sich um */2 Fuß verminderte, so würde
erst nach 12000 Jahren der scheinbare Durchmesser um eine Bogensekunde
kleiner gesehen werden; nach dem Obigen könnte aber eine derartige Ver
kleinerung der Sonne dennoch übersehen werden. Auch bei dieser Frage muß
eine sichere Antwort von der Zukunft erwartet werden.
2. Wahre Größe. Ist die scheinbare Größe eines Gegenstandes und
seine Entfernung vom Beobachter bekannt, so läßt sich daraus in später näher
anzugebender Weise die wahre Größe des Gegenstandes unschwer berechnen.
Bei der Sonne hat die Berechnung (nach Mädler) einen wahren Durchmesser
von 192608 geogr. Min., d. i. von 112,05 Erddurchmessern, nach IAttrow von
193030 geogr. Min. ergeben. Denkt man sich die Sonne hohl, so würden 112
auf einen ihrer Durchmesser gereihte Erdkugeln kaum den inneren Kaum aus
füllen. J.a, denkt man sich die Erde in den Mittelpunkt der hohlen Sonne
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