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Topographie des Himmels.
rücken. Gegenwärtig liegt er nicht mehr im Sternhilde des Widders, sondern
in dem der Fische, c. 30° von dem ersteren entfernt. Die Rechnung zeigt, daß
der Frühlingspunkt im Jahre 320 v. Chr. in der Brust des Widders, im Jahre
2470 v. Chr. in den Hyaden im Stier, und im Jahre 6770 vor unserer Zeit
rechnung in der Mitte des Krebses lag. Dagegen wird er im Jahre 4000 n. Chr.
in der Mitte des Wassermannes, und im Jahre 8300 in der Spitze des
Schützen oder nahe dem heutigen Winter-Solstitialpunkte sich befinden. Wäre
uns ein Thierkrois der Vorzeit mit Angabe der damaligen Lage des Frühlings
punktes aufbowahrt, so würde man heute leicht im stände sein, auf das Alter
des Denkmals zu schließen. In der That haben Darstellungen des Zodiakus in
den merkwürdigen Tempelruinen von Bender ah und Esncli in Oberägypten zu
solchen Zeitbestimmungen Veranlassung gegeben*).
Aber nicht nur die Länge, sondern auch die Rectascension und selbst
die Deklination der Fixsterne werden von der Präcession berührt, während
die Breite derselben (kleine Aenderungen ausgenommen) im allgemeinen unver
ändert bleibt.
3. Polarsterne zu verschiedenen Zeiten. Da die Präcession eine
Folge der veränderten Lage der Erdachse ist, so kann unmöglich die verlängerte
Erdachse immer denselben Punkt des Himmels treffen; der heutige Polarstern
kann deshalb nicht immer Polarstern gewesen sein, und wird es in Zukunft
nicht sein. Jetzt steht der Schwanzstern des kleinen Bären nahe dem Nord
pole des Himmels; er ist nur IV2 0 von diesem Pole entfernt. Bis zum Jahre
2100 wird der Pol sich ihm aber noch mehr nähern und dann nur 28' von
ihm abstehen. Dann wird der Pol sich wieder von ihm entfernen, und im
Jahre 4100 n. Chr. wird der Stern y, dann « des Cepheus, später « oder Deneb
des Schwans, und im Jahre 14000 « Lyrae oder die Wega, die jetzt 38° vom
Pole absteht, Polarstern sein in einer Entfernung von 5°. Im Jahre 2700 v. Chr.
aber war « des Drachen dem Nordpole des Himmels am nächsten.
Man findet alle die Sterne, die nach und nach Polarsterne werden, wenn
man auf einem Himmelsglobus vom Pole der Ekliptik als Mittelpunkt aus einen
Kreis beschreibt, dessen Halbmesser der Schiefe der Ekliptik gleich ist, also
23 *¡ 2 ° beträgt. Denn offenbar müssen die Pole des Himmels um die festen Pole
der Ekliptik einen Kreis beschreiben, dessen Halbmesser gleich dem Winkel
ist, um den die Erdachse von der senkrechten Stellung zur Ekliptik ab weicht.
Die Fig. 127 wird die Sache deutlicher machen.
4. Veranschaulichung. Es sei der äußerste Kreis ein größter Kreis
der Himmelskugel, AB CB die feste Ekliptik, alcd die Erdbahn, in welcher
die Erde in vier Stellungen dargestellt ist, die sie von c. 6000 zu 6000 Jahren
infolge der Präcession einnehmen wird. Es ist leicht ersichtlich, wie die
verlängerte Erdachse zu verschiedenen Zeiten verschiedene Punkte des Himmels
*) Eine ganz genaue Rechnung hat aber Schwierigkeiten, da die Präcession nicht
unveränderlich ist.