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Topographie des Himmels.
3 Tage nach einander. Die bis dahin durchsichtige Luft trübt sich in eigen-
thümlicher Weise, daß die Sonne wie eine fast violette Scheibe erscheint. Die
Menschen empfinden ein eigenthiimliches Prickeln in der Haut und bei ausge
streckten Armen in den Fingerspitzen ein Gefühl, wie wenn elektrische Funken
aus denselben hervorgingen. Es war deshalb nicht unnatürlich, daß man die
der Sonne gegenüber aufgehenden Sterne mit einem dem Typhon, dem Ur
heber alles Bösen, geweihten Thiere in Verbindung brachte, nämlich mit dem
in Aegypten häufigen Skorpion. Das Zeichen IH ist unverständlich, wenn
gleich man in den letzten Strichen eine Andeutung des stacheligen Schwanzes
des Skorpions erblicken kann.
Der letzte Monat des Jahres, der vierte der Ernte (der 1. Mesori =
dem 15. Juni), ist der Monat der Nordwinde. Denn wenn bei senkrechtem
Sonnenstände die sehr verdünnte Luft lebhaft in die Höhe steigt, sucht der
von Norden her wehende kühlere Wind, mit Wasserdampf vom Mittelmeere
erfüllt, das gestörte Gleichgewicht wieder herzustellen. Man sieht alsdann,
wenn diese Etesien wehen, Wolken in raschem Fluge über das Land hineilen,
dem Süden zu, um sich hier niederzuschlagen und den Nil wieder schwellen
zu machen, und das Ansteigen des Flusses beginnt manchmal schon in diesem
Monate. Dieses Dahineilen der Wolken wollten die alten Aegypter vielleicht
andeuten, wenn sie die der Sonne gegenüber aufgehenden Sterne mit dem Bilde
eines Reiters in Verbindung brachten, dessen Gewand im Winde flattert, und
der einen Pfeil abschießt, d. i. mit dem eines Schützen. Die Griechen mach
ten daraus einen Centauren, der einen Pfeil abschießt. Das Zeichen ^ stellt
den Pfeil des Schützen dar.
Diese kurz mitgetheilte Erklärungsweise der Sternbilder des Thierkreises
hat wenig Gezwungenes und stimmt mit dem Leben und den Erscheinungen in
Aegypten, wie sie durch den Nil geregelt werden, gut zusammen. Auch noch
viele andere Sternbilder ließen sich aus den Verhältnissen des genannten
Landes erklären; doch müssen wir uns auf das Mitgetheilte beschränken, fügen
indeß noch einige allgemeine Bemerkungen hinzu.
Von den Aegyptern oder Chaldäern scheinen die Sternbilder im 5. oder
6. Jahrhundert v. Chr. zu den Griechen gekommen zu sein, und diese nahmen
die ihnen überlieferten Sternbilder theils einfach an, theils änderten sie die
selben, falls sie ihnen unverständlich waren, und fügten auch wohl selbständig
ganz neue hinzu. Der Himmel mit seinen Bildern gab ihrer Phantasie reich
liche Nahrung, und da man im Alterthume stets geneigt war, die Gestirne mit
den dunklen Schicksalen der Menschen in Verbindung zu setzen, so gaben sie
Veranlassung zu den verschiedensten Mythen, und ganze Gruppen von Stern
bildern erhielten in solchen Mythen eine symbolische Bedeutung. Besonders sind
es zwei Mythen, in welche viele Sternbilder verwebt sind, nämlich der Zug
des Dionysos oder Bakchos und die Arbeiten des Herkules, und in
diesen ist nach den Erklärungen Dupuis' der geistige Gehalt des Mythos als
der Faden, auf welchen sich die Sternbilder aufreihen, noch erkennbar, was in