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Von den wirklichen Bewegungen der Himmelskörper.
3. Allmähliches Erscheinen und Verschwinden der Gegenstände.
Stehen wir am Ufer des Meeres, und es erscheint fern am Horizonte ein Schiff,
so erblicken wir dasselbe nie ganz, sondern es werden uns zuerst nur die
obersten Th eile desselben, die Masten und Segel, sichtbar, und erst bei
größerer Annäherung tritt das ganze Schiff in unsern Horizont. Es sieht aus,
als käme das Schiff zu uns herauf. Wenn, umgekehrt, ein Schiff sich von uns
entfernt, so verschwinden am Horizonte zuerst die unteren und zuletzt auch die
höchsten Tlieile desselben: es sinkt allmählich unter den Horizont.
Diese Erfahrung wird an den Ufern aller Meere und ebenso auf offener See
gemacht. Desgleichen tauchen von fernen Inseln bei Annäherung an dieselben
zuerst die höchsten Theile auf, während bei Entfernung von ihnen zuerst die
niedrigsten Theile derselben sich den Blicken entziehen. Es kann also auch
die Oberfläche des Meeres keine ebene Fläche sein, sondern sie muß überall
und nach allen Seiten hin gekrümmt sein. Im ebenen Lande zeigen sich bei
Reisen ähnliche Erscheinungen; eine
ferne Stadt z. B. tritt zuerst mit ihren
Thürmen in den Horizont. Diese Er
scheinungen wären unmöglich, wenn die
Erdoberfläche eine Scheibe bildete; denn
alsdann müßte ein ferner Gegenstand,
sobald er am Horizonte sichtbar würde,
ganz, in allen seinen Theilen, wenn auch
unter noch so kleinem Winkel, erscheinen.
Keine Annahme erklärt die Sache ein
facher und natürlicher, als die, daß die
ganze Erdoberfläche, Land und Wasser,
eine nach allen Seiten hin gekrümmte
Fläche ist.
Veranschaulichung. Fig. 25
möge zur Veranschaulichung des Ge
sagten dienen.
Von dem Punkte a aus würde ein Schiff in c noch ganz gesehen werden
können, weil es in dem Horizonte von a liegt. In e dagegen würde der untere
Theil des Schiffes bereits unsichtbar und nur die Spitze des Mastes sichtbar,
von dem Standpunkte b aus indessen noch das ganze Schiff in Siebt sein. Von
dem Thurme in f würde von a aus ebenfalls nur die Spitze gesehen werden
können.
Wenn aber die Erde eine Kugel ist, so muß das Schiff auch die Lagen in
g, n und h an nehmen können, und nach der Zeichnung sollte man meinen, es
könne in dieser Lage unmöglich an der Er^) bleiben, sondern müsse von ihr
wegfallen. So erscheint es freilich, ist aber nicht so. Die Erde nämlich besitzt
eine eigenthümliche Kraft, die z. B. einen in die Höhe geworfenen Stein oder
einen andern Körper, den man seiner Unterstützung beraubt, zwingt, zur Erde