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I. Die Herstellung und Verwerthung von Himmelsaufnahmen.
wendig, das Fadenkreuz niclit fest im Ocularauszuge, sondern auf einer
mikrometeräknlichen Vorrichtung anzubringen, welche es gestattet, das
Fadenkreuz an jede Stelle eines Feldes von mindestens 30' Durchmesser
zu bringen, um auch weiter entfernte Sterne zum Halten benutzen zu
können bei Beibehaltung des gewünschten Plattenmittelpunktes.
Bevor man diese Einrichtung an photographischen Refractaren ge
troffen hatte, hat man zu anderen Hülfsmitteln gegriffen, um schwächere
Sterne halten zu können. Man nahm dunkles Gesichtsfeld und beobachtete
das Verschwinden des Sternes hinter den sehr dicken Fäden des Faden
kreuzes; ein exactes Halten ist mit dieser Vorrichtung natürlich nicht
möglich. Besser ist die Lohse’sche Methode, wobei anstatt des Faden
kreuzes ein aus Balmain’scher Leuchtfarbe hergestellter Ring benutzt
wird. Je nach der Stärke der Belichtung des Ringes erscheint derselbe
nachher in mehr oder weniger mildem Lichte, so dass noch ziemlich
schwache Sterne recht gut in die Mitte des Ringes eingestellt werden
können. Ganz zu verwerfen ist eine von Schaeberle und Barnard
angegebene und bei helleren Sternen häufig angewandte Methode, bei
welcher keine künstliche Feldbeleuchtung nothwendig ist. Man bringt
hierbei das Fadenkreuz so weit aus dem Focus des Fernrohrs heraus,
dass der Stern als kleine Scheibe erscheint, auf welcher alsdann das
Fadenkreuz sichtbar wird. Infolge der hierdurch auftretenden Parall
axenwirkung kann natürlich exactes Halten nicht mehr stattfinden.
Das Halten selbst ist nun, wie jede andere messende astronomische
Beobachtung, eine Kunst, die nur durch Uebung erworben werden kann.
Man muss bei jeder Art des Luftzustandes sofort erkennen können, ob
eine plötzlich stattfindende Excursión des Sternes vom Fadenkreuze
durch die Luftunruhe oder durch einen Fehler im Instrumente ver
ursacht ist. Im ersteren Falle hat man nicht zu corrigiren, da die durch
Luftunruhe entstehenden Schwankungen sich im Laufe der Exposition von
selbst ausgleichen; im anderen Falle aber muss möglichst sofort corrigirt
werden. Diese Unterscheidung ist nicht immer leicht, da es Luftzustände
giebt, bei denen die Schwankungen eine Periode von mehreren Secunden
besitzen (siehe pag. 49).
Das Corrigiren mittels der Feinbewegungen muss ganz mechanisch
erfolgen, d. h. die Uebung muss so weit getrieben sein, dass ohne be
sondere Ueberlegung die entsprechende Handbewegung ausgeführt wird,
sobald eine Abweichung von der richtigen Stellung in irgend einer Rich
tung sichtbar wird. Durch sehr grosse Unruhe der Luft wird das Halten
schliesslich sehr erschwert; in solchen Fällen aber soll man schon aus
anderen Gründen von photographischen Aufnahmen absehen.
Die in diesem Capitel bisher gegebenen allgemeinen Principien der