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I. Die Herstellung und Verwerthung von Himmelsaufnahmen.
Von besonderem Interesse für die Photographie ist nun der Strahlen-
eomplex, der etwa bei der Wellenlänge 490 im optischen Gebiet be
ginnend, sich weit in das Ultraviolett erstreckt, der trotz der verhältniss-
mässig geringen Energie speciell zur Einleitung chemischer Processe
geeignet ist, und den man daher kurz als den Complex der chemischen
oder photographischen, richtiger als den der chemisch oder photograpisch
wirksamen Strahlen bezeichnet. Bis zu welcher unteren Grenze der
Wellenlängen sich dieses Gebiet erstreckt, ist nicht angebbar, da schliess
lich alle Medien (besonders unsere atmosphärische Luft) für die Strahlen der
kürzeren Wellenlängen undurchsichtig werden, jedenfalls lange bevor die
Grenze der chemischen Wirksamkeit erreicht ist. Uebrigens ist die che
mische Wirkung von Strahlen keineswegs auf dieses Gebiet beschränkt;
es giebt eine Anzahl von Körpern, meist ziemlich complicirte chemische
Verbindungen, auf welche auch die anderen, optische und sogar ultra-
rothe Strahlen, eine chemische Wirkung ausüben.
Die Kenntniss von der chemischen Wirkung des Lichtes ist schon
eine sehr alte, besonders diejenige der bleichenden, die allerdings im
allgemeinen keine reine Wirkung des Lichtes darstellt, sondern durch
gewisse, in der Atmosphäre vorhandene oxydirende Stotfe unterstützt wird.
Eine der bekanntesten und wichtigsten chemischen Einwirkungen des
Lichtes findet bei der Bildung des Chlorophylls in den Pflanzen statt.
Dass gewisse Metallverbindungen sich besonders auffällig im Lichte ver
ändern, ist bereits seit dem 16. Jahrhundert bekannt; eine genauere Unter
suchung über das Verhalten des Chlorsilbers ist im Jahre 1777 von Scheele
veröffentlicht worden, und von dieser Zeit an beginnen die eigentlich
wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiete der Photographie, die bald zu
einer Reihe von Verfahren führten, durch welche Copien von Kupferstichen
und Glasgemälden hergestellt werden konnten. Bei allen diesen Verfahren
muss das Licht noch die ganze Zersetzung der betreffenden Verbindungen
besorgen, wie noch jetzt bei den meist gebräuchlichen Copirverfahren; es
ist also eine sehr lange Wirkung einer sehr intensiven Lichtquelle er
forderlich. Praktische Bedeutung erlangte die Photographie erst, als man
lernte, das Licht nur zur Einleitung des chemischen Processes zu be
nutzen (latente Bilder), die eigentliche Zersetzungsarbeit aber auf rein
chemischem Wege zu leisten. Damit fand eine ganz enorme Abkürzung
der nothwendigen Belichtungszeit statt, und nun wurde es erst möglich,
die Bilder der schon lange bekannten Camera obscura festzuhalten. Auf
dem Principe der Erzeugung von latenten Bildern beruhen auch heute
noch alle directen photographischen Verfahren, und die Bestrebungen sind
im wesentlichen nur darauf gerichtet gewesen, die zur Erzeugung des
latenten Bildes nothwendige Lichtarbeit auf ein Minimum zu reduciren.