274
III. Geschichte der Himmelsphotographie.
geknüpft werden konnten, im vollen Masse. Gleichzeitig aber hat er ein
vorher nicht erwartetes Resultat von vielleicht noch viel grösserer Be
deutung geliefert: die ständige Beobachtung der Sonnenfackeln und damit
zusammenhängender Erscheinungen.
Bereits Yo un g hatte erkannt, dass die H- und K- Linien des Spec-
trums der Sonnenilecken meist hell erscheinen; im Jahre 1891 fanden
Haie und Deslandres nahe gleichzeitig, dass diese Linien nicht bloss
stellenweise hell sind, sondern auch eine doppelte Umkehr zeigen, indem
die helle Linie durch eine feine dunkle, in der Mitte gelegene, in zwei
Hälften getheilt ist. Dass hier eine wirkliche Umkehr und nicht etwa
eine blosse Doppellinie vorliegt, ist von Haie*) durch die Beobachtung
bewiesen, dass nach dem Sonnenrande hin die dunkle Linie verschwindet
und die beiden Componenten der hellen Linie sich in eine einzige ver
wandeln von der gleichen Breite, deren Mitte genau mit der dunklen
Linie zusammenfällt. Die Erklärung der doppelten Umkehr der H- und der
K -Linie liegt nach dem Kirchhoff’schen Satze auf der Hand und kann
leicht experimentell im elektrischen Bogen bestätigt werden: Stellenweise
muss der Metalldampf, der die hellen Linien erzeugt (Calcium in der
K- Linie) oberhall) der Photosphäre heisser sein als letztere, darüber muss
sich wiederum eine kühlere Schicht desselben Dampfes befinden, der ab-
sorbirend wirkt. Dass die hierdurch entstehende Absorptionslinie be
trächtlich schmäler ist, als die helle Linie, folgt ohne Weiteres aus der
höheren Lage der kühleren Schicht, die sich dadurch unter geringerem
Drucke befindet.
Nimmt man nun vermittels des Spectroheliograplien die Sonnenscheibe
in der hellen K -Linie auf, so erhält man also ein Abbild aller Stellen,
an denen der Ca -Dampf heisser ist als die Photosphäre. Die Gesammt-
heit dieser Stellen ergiebt ein über die ganze Sonnenscheibe sich er
streckendes Netz, welches besonders kräftig in den Fleckenzonen und in
unmittelbarer Nähe der Flecken auftritt und in seiner Erscheinung genau
denselben Eindruck macht, wie die für gewöhnlich nur in einem eng be
grenzten Ringe in der Nähe des Sonnenrandes sichtbaren Fackeln. Es
ist durch Haie bereits nachgewiesen, dass sich in diesem Ringe das Netz
der hellen Stellen der heliospectrographischen Aufnahmen mit den Fackeln
der gewöhnlichen Aufnahmen deckt, dass also beide Erscheinungen iden
tisch sind.
Es ist somit das Problem gelöst worden, die Fackeln ständig über
die ganze Sonnenscheibe hinüber verfolgen zu können, und die Schwierig
keiten, welche bisher bei Untersuchungen über die Bewegung der Fackeln
: ) Astron. and Astropliys. 13, 113.