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Einsicht in die Sache zu thun war, das betreffende Capitel
seines Lalande vornahm. „So", sagt Bessel in seinen Ju
genderinnerungen, „setzte ich eine ziemlich vollständige Kennt
niß der Astronomie aus einzelnen Stücken zusammen, welche
ich jedes an seinen Ort in der Uebersicht einschaltete. Diese
Methode des Lernens war übrigens die einzige mir ange
messene. Ich lernte nur das, was ich anzuwenden beab
sichtigte , es sei praktisch oder zum Verständniß von Gelese
nem. Das Lernen selbst hatte ich nie gelernt, so daß meine
heutigen astronomischen Kenntnisse auch weit mehr Lücken
haben würden, als sie wirklich haben, wenn alle Theile
dieser Wissenschaft nicht so innig mit einander verbunden
wären, daß lange Beschäftigung mit ihr nothwendig aus
alle einzelnen Theile führt. Ich muß bei dieser Gelegenheit
bekennen, daß ich manche Vorschriften ausführte, ohne vor
her die Zeit verwandt zu haben, in welcher ich sie durch
Lalande hätte begründen können. Aber das war die Folge
meiner ganzen Ansicht der Wissenschaft: ich wollte sie
nicht kennen lernen, sondern nur ihre Resultate erlangen.
Ich studirte eifrig, aber nur auf die Früchte zu, die mich
unwiderstehlich reizten. Daß dereinst die Astronomie meine
Profession werden würde, fiel mir nicht im Traume ein;
ich folgte nur meinem Vergnügen und dieses bestand in
der Einsammlung von Früchten."
Der Mann, welcher auf Bessel's ferneren Lebenslauf
den größten Einfluß hatte, und dem eigentlich das Verdienst
gebührt, Bessel seinem wahren Berufe, der praktischen Astro
nomie, geschenkt zu haben, war Olbers. Dieser merk
würdige Mann, welcher, seinem Berufe nach, ein vielbe
schäftigter Arzt Bremens, die Astronomie nur aus Lieb
haberei trieb, nichts desto weniger aber durch die Klarheit