„Was willst I)u aber an seine Stelle treten lassen, o Vater?“
„ Die Klugheit,“ 1 ) sagte Zeus, „ denn diese muss der
Wahrheit benachbart sein, weil diese sich nicht handhaben,
bewegen und anwenden lässt ohne jene, weil die eine ohne
Begleitung der anderen niemals Erfolg hat oder zu Ehren
kommt.“
„Gut bedacht,“ sprachen die Götter.
IV. Cepheus ersetzt durch die Weisheit.
Nun begann Mars: ,, Jener Cepheus dort verstand es, als
er noch König war, sehr schlecht seine Arme zu gebrauchen, * 2 )
um das Königreich, welches Fortuna ihm bescheerte, zu
vergrössern. Jetzt dünkt es mich sehr unpassend, dass er
dort in der Weise, wie er es timt, seine Arme ausbreitet
und seine Beine spreizt und sich einen so grossen Raum
am Himmel anmasst.“
„So gebe man ihm,“ sagte Zeus, „etwas Wasser vom
Lethe zu trinken, damit er sich selber verneint und seinen
irdischen und himmlischen Besitz vergisst und dann werde
er als ein Tier ohne Füsse und Arme wiedergeboren.“
„So mag ihm geschehen,“ fügten die Götter hinzu,
„aber dass an seinen Platz Sofia, die Weisheit trete!
denn die Arme, die als unzertrennliche Genossin der
Wahrheit mit dieser stets alle Gefahren, Schicksale,
Kränkungen und Leiden geteilt hat, muss doch nun
mehr auch an ihrem Glück und an ihren Erfolgen anteil
haben; übrigens wüssten wir nicht, wie jene jemals würde
zur Erhöhung ihrer Ehre und Würde gelangen können,
wenn diese es nicht wäre, die ihr beisteht.“
„Sehr gern,“ antwortete Zeus, „trete ich Euch darin
bei, Ihr Götter, denn alle Ordnung und Vernunft verlangt
es, und vor Allem würde auch ich jene an ihrem Platze
b Über clie philosophische Begründung der Plätze der Wahrheit,
Klugheit und der folgenden Tugenden siehe den Anfang des II. Dialogs.
2 ) cf. 42. Nach Ovid. Metam. V. 1—235, empörten sich gegen
Cepheus, der seine Tochter ihrem Retter, Perseus, zum Weibe gab, dessen
Unterthanen und Verwandte, und Cepheus ward nur durch Perseus, der
sich zuletzt der furchtbaren Waffe des versteinernden Medusenhauptes
bediente, gerettet.