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Sofort befahl er, — denn so ist es neuerdings im
Himmel eingeführt, — dass ich alles mit meiner Hand in
ein Notizbuch notierte, was heute in der Welt besorgt
werden muss. 1 )
Sofia: Lass mich, wenn ich darum bitten darf, etwas von
diesen Geschäften hören; denn Du hast meine Neugierde
wachgerufen.
Merkur: Ich will Dir einiges sagen. * 2 ) Er hat verfügt, dass
heute mittag von den Melonen im Melonengarten des
Franzino 3 ) zwei Melonen vollständig reif werden, dass
sie aber nicht eher als drei Tage später, wenn sie schon
nicht mehr gut zum Essen sind, gepflückt werden dürfen.
Er will, dass zur selben Zeit in dem Weinberge, 4 ) der
sich am Fusse des Berges Cicala im Hofe des Gioan
Bruno befindet, 30 Trauben vollständig ausreifen, 17
überreif zur Erde fallen, 15 von Würmern angenagt
*) Bruno ironisiert im folgenden die vulgäre Anschauung der Volks
metaphysik und der exoterischen Theologie von einem innerhalb der phäno
menalen endlichen Anschauungsweise befangenen ,. Herrgott “ als Weltenlenker
und macht die Unvereinbarkeit eines solchen kindlich naiven Gottesbegriffs
mi t, der wissenschaftlichen Weltanschauung auf diese Weise verständlich.
2 ) Bruno nimmt hier Gelegenheit, ein Idyll aus den Erinnerungen
seiner Knabenjahre einzuflechten, indem er uns das Stillleben seines
heimatlichen Dörfchens, einer kleinen Bauerschaft in unmittelbarer Nähe
von Nola, des jetzigen Casale di Santo Paolo am Fusse des Cicala,
schildert. Den Nachforschungen F. Fiorentino’s ist es gelungen, aus den
alten Volkszählungsrollen von Nola nicht nur über die Familie Bruno’s,
sondern auch über die Träger der hier von Bruno gegebenen Namen
interessante Aufschlüsse zu erlangen.
Siehe das ,.Giornale Napolitano della Domenica 29. Napoli gennaio
1882. la fanciullezza di Giordano Bruno.“
Es sind sämtlich Nachbarsleute von Bruno’s Vater, die hier erwähnt
werden. Der Vater Bruno’s, einer der fünf Söhne des in Nola selbst wohn
haften Geronimo Bruno, bei Bruno’s Geburt etwa 23 Jahre alt, verheiratet
mit einer Savolino, besass damals anscheinend ein kleines Gehöft in Casale
di Santo Paolo.
3 ) Franzino, der Besitzer der Melonenpflanzung, wird in den
Heberollen von 1563 genannt, als Franzinus Allamanna , war also einer
der zahlreichen bei Nola ansässig gewordenen deutschen Landsknechte,
dessen deutscher Name FranzinFranzino italienisirt wurde (cf. Fiorentinol.V.).
Man bemerke die allerliebste Reminiscenz Bruno’s an seinen kindlichen
Arger darüber, dass der alte biedere Deutsche dem jungen Freunde aus purer
väterlicher Fürsorge verwehrte, die nach seinem nordischen Vorurteil immer
noch nicht genügend reifen Melonen zu essen, bis sie schon wegen Über
reife nicht mehr gut schmeckten.
4 ) Wagner, dessen von Druck- und Redaktionsfehlern wimmelnde
Ausgabe der ital. Werke Bruno’s von Fiorentino und anderen mit Recht
wegen ihrer unkritischen Nachlässigkeit getadelt wird, liest hier „iviuma“